Frauen aus dem Iran haben in der iranischen Gesellschaft als Angehörige der sozialen Gruppe der iranischen Frauen eine erhebliche systematische Ungleichbehandlung zu erwarten, die bei einer fortgeschrittenen „Verwestlichung“ die Qualität einer Verfolgung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 Alt. 1 AsylG erreichen kann, sagt das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 9. April 2024 (Az. 10 A 5193/23). Frauen hätten in der iranischen Gesellschaft eine deutlich abgegrenzte Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 lit. b) AsylG, da sie von der sie umgebenden männlichen Gesellschaft als andersartig betrachtet würden. Im Fall einer weiblichen Schutzsuchenden sei ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6 AsylG dann gegeben, wenn der geschlechtsspezifische Aspekt für sie so bedeutsam für ihre Identität oder ihr Gewissen sei, dass die sie im Iran als Frau treffenden systematischen Benachteiligungen für sie eine schwerwiegende Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte darstellten. Es dürfe ihr, ausnahmsweise und einzelfallbezogen, nicht zumutbar erscheinen, sich im Iran den dortigen rechtlichen und gesellschaftlichen iranisch-islamischen und Frauen im Vergleich zu Männern benachteiligenden Regeln zu unterwerfen. Dies sei dann der Fall, wenn eine weibliche Schutzsuchende infolge des längeren Aufenthalts in Europa in einem solchen Maße in ihrer Identität aufgrund der hiesigen Wertevorstellungen hinsichtlich der Gleichberechtigung von Frauen und Männern geprägt worden sei, dass sie entweder nicht mehr in der Lage wäre oder es ihr nicht mehr zugemutet werden könne, bei einer Rückkehr in den Iran ihren Lebensstil den dort erwarteten Verhaltensweisen und Traditionen anzupassen.
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