Nachholung rechtlichen Gehörs in Abschiebungshaftsachen

Mit Beschluss vom 22. Februar 2022 (Az. XIII ZB 74/20) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in Abschiebungshaftsachen im Abhilfeverfahren eine erneute Anhörung durchgeführt werden muss, wenn das Gericht zuvor unter Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens eine Haftanordnung im Hauptsacheverfahren erlassen hat, anstatt wie geboten lediglich vorläufig über die Freiheitsentziehung zu entscheiden, und sich in der Folge ein Rechtsanwalt für den Betroffenen meldet. Im entschiedenen Verfahren hatte der Betroffene im erstinstanzlichen Anhörungstermin geäußert, dass er einen Rechtsanwalt hinzuziehen und die Benennung des Rechtsanwalts nachholen wolle. Dies könnte so zu verstehen sein, dass der Betroffene auf sein Recht auf anwaltlichen Beistand verzichten wolle, könnte aber auch so zu verstehen sein, dass er eine Anhörung nur im Beisein eines Rechtsanwalts wünsche. Das Amtsgericht habe den Willen des Betroffenen aber nicht aufgeklärt, darum sei zur Sicherung des Rechts auf ein faires Verfahren zu vermuten, dass ihm der Zugang zu einem Anwalt verwehrt wurde.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

  • Praktische Wirksamkeit

    So richtig viel war nicht los in der flüchtlingsrechtlichen Rechtsprechung in dieser Woche (bitte senden Sie gerne aktuelle Entscheidungen ein!), ein wenig dann aber doch. Es geht unter anderem um die nunmehr vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Frage, ob ein aus dem EU-Primärrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht von der…

    Weiterlesen..

  • Kompetentes Personal

    Der Europäische Gerichtshof hat es schon wieder getan und räumt mit der Gewohnheit offenbar vieler nationaler Asylbehörden auf, die Fristen zur Entscheidung über Asylanträge fast schon regelhaft von sechs auf 15 Monate zu verlängern. Das Verwaltungsgericht Stade mahnt derweil eine qualifizierte Auseinandersetzung mit ausländischen Flüchtlingsanerkennungen an,…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871