Zugang zum Asylverfahren auch bei „Massenzustrom“

Mit Urteil vom 30. Juni 2022 (Az. C-72/22 PPU) hat der Europäische Gerichtshof in einem Eilverfahren entschieden, dass die Rechte von Asylsuchenden, die ihnen auf Grundlage von EU-Recht zustehen, in den Mitgliedstaaten auch in Ausnahmesituationen nicht eingeschränkt werden dürfen. Litauen hatte sich auf eine Notsituation aufgrund eines „Massenzustroms“ von Ausländern berufen, scheiterte damit aber vor dem EuGH. Insbesondere, so der EuGH, erlauben Art. 6 und Art. 7 Abs. 1 der EU-Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU es den Mitgliedstaaten nicht, den Zugang zu einem Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz in einer solchen Situation einzuschränken, und erlaubt Art. 8 der EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU nicht, Schutzsuchende allein deshalb in Gewahrsam zu nehmen, weil sie sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten. Erst vor wenigen Tagen hatte Amnesty International Litauen in einem Bericht Pushbacks, rechtswidrige Inhaftierungen und schwere Misshandlungen von Schutzsuchenden vorgeworfen.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Mehrere Monate

    Müssen Ausländerbehörden bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse prüfen, obwohl sie dafür nach deutschem Recht gar nicht zuständig sind, oder bleibt es bei der Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge? Ein EuGH-Urteil aus dem vergangenen Herbst sorgt jedenfalls bei mir für Verwirrung, und eine…

    Weiterlesen..

  • Refoulement by Proxy

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weiß auch nicht mehr weiter und erklärt sich für unzuständig, wenn es um die Externalisierung von Pushbacks im Mittelmeer geht. Dafür scheint aber in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Schadensersatzklage gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex das letzte Wort noch nicht gesprochen zu…

    Weiterlesen..

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871