In dem Urteil vom 26. Oktober 2022 (Az. 2 BvE 3/15, 2 BvE 7/15), in dem das Bundesverfassungsgericht über eine Klage der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken gegen die Bundesregierung entschieden hat, ging es primär zwar um eine mögliche Verletzung der Mitwirkungsrechte des Bundestags durch eine unzureichende Informationspolitik der Bundesregierung, inhaltlich aber maßgeblich um einen Konzeptentwurf für die inzwischen ausgelaufene EU-Operation Sophia gegen Schleuser im Mittelmeer sowie ein Schreiben des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu an Kanzlerin Angela Merkel zum EU/Türkei-Gipfel Ende November 2015. Das BVerfG entschied in seinem Urteil, dass die klagenden Fraktionen unter Verletzung von Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG nicht umfassend und frühestmöglich informiert worden seien und dass die Bundesregierung nicht nachvollziehbar dargelegt habe, dass das Schreiben des türkischen Ministerpräsidenten nicht der Unterrichtungspflicht nach Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG unterfalle.
Mitzunehmen ist aus dem Urteil wohl vor allem der dritte Leitsatz, wonach eine Information der Abgeordneten des Bundestags, die Geheimschutzregelungen unterliegt, den Anforderungen von Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich nicht gerecht werde, weil die Information des Parlaments zugleich dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz parlamentarischer Öffentlichkeit diene: Im europäischen Kontext stärke die für die Öffentlichkeit nachvollziehbare parlamentarische Willensbildung gleichzeitig die Responsivität von europäischen Entscheidungen im Hinblick auf Interessen und Überzeugungen von Bürgerinnen und Bürgern, erst die Öffentlichkeit der Beratung schaffe die Voraussetzungen für eine Kontrolle durch diese.