Bereits im Oktober 2024 hatten wir gemutmaßt, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Oktober 2024 (Rs. C-156/23), wonach gemäß Art. 5 EU-Rückführungsrichtlinie zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, nämlich eine drohende Verletzung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, vor einer Abschiebung erneut geprüft werden müssen, in der Praxis der nationalen Rechtsanwendung viel Verwirrung stiften würde.
Spätestens jetzt ist es soweit: Die Bundesregierung ist bereits im März 2025 zu dem Schluss gekommen, dass sich das tatsächlich so aus dem EuGH-Urteil ergibt und dass „[n]ach Unanfechtbarkeit einer Asylentscheidung [..] eine eigenständige Prüfpflicht der Ausländerbehörden bezüglich der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung aus Artikel 5 der Rückführungsrichtlinie [besteht]“ (BT-Drs. 20/14923 vom 21. März 2025, S. 60). Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg dagegen will in seinem Beschluss vom 16. Mai 2025 (Az. 13 ME 32/25) differenzieren: Der Tenor des EuGH-Urteils stelle nur auf Konstellationen ab, in denen eine nationale Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehne und infolgedessen feststelle, dass der betroffene Ausländer sich ohne Aufenthaltsrecht aufhalte. Im konkreten Verfahren sei der Antragsteller jedoch schon im Zeitpunkt der Antragstellung ohne Aufenthaltsrecht gewesen, so dass die Voraussetzung des „infolgedessen“ nicht erfüllt sei und die Ausländerbehörde eben nicht prüfen müsse, ob eine Abschiebung gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen würde.
Das Oberverwaltungsgericht gibt zu, dass die Entscheidungsgründe des EuGH-Urteils sich weitergehender als der Tenor des Urteils lesen, weil sie die zuständige nationale Behörde verpflichten, den Grundsatz der Nichtzurückweisung „in jedem Stadium des Rückkehrverfahrens“ einzuhalten. Es meint aber, dass doch jedenfalls die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dazu führen müsse, das nicht so wörtlich zu nehmen: Betroffene könnten ja schließlich einen Folgeantrag beim Bundesamt stellen.
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