Schon wieder menschenrechtswidrige Kollektivausweisungen in Ungarn

In seinem Urteil vom 24. Juni 2025 (Az. 46084/21, 40185/22 und 53952/22, H.Q. u.a. gg. Ungarn) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Ungarn wegen Menschenrechtsverletzungen beim Umgang mit Schutzsuchenden seit 2022 verurteilt. Ungarn habe in drei Fällen Schutzsuchende ohne inhaltliche Prüfung ihrer individuellen Umstände nach Serbien abgeschoben, was einen Verstoß gegen das Verbot der Kollektivausweisung von Ausländern (Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK) und in Verbindung damit einen Verstoß gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 13 EMRK) in Bezug auf die drei Beschwerdeführer darstelle. Bei zwei der drei Beschwerdeführer habe die Abschiebung nach Serbien außerdem einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen Aspekt des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK) dargestellt, weil die ungarischen Behörden keine Beweise für ihre Annahme vorgelegt hätten, dass es sich bei Serbien um einen sicheren Drittstaat handele, in dem Betroffene tatsächlich Zugang zu einem fairen Asylverfahren erhielten. Die einzige legale Einreisemöglichkeit für Personen, die in Ungarn um internationalen Schutz nachsuchten, das sogenannte „Botschaftsverfahren“, sei außerdem nicht klar geregelt und biete keine ausreichenden Garantien.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil (Rn. 163f.) in ungewöhnlich deutlicher Weise hervorgehoben, dass Ungarn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) seit Jahren missachtet und in der Folge zehntausende (tens of thousands) Schutzsuchende aus Ungarn abgeschoben wurden, allein mehr als 150.000 Schutzsuchende im Jahr 2022. Während die Rechtslage in Ungarn sich seit 2020 geändert hätte, gebe es das mit der EMRK nicht vereinbare System von Kollektivausweisungen und Verhinderung eines Zugangs zum Asylverfahren in der Sache immer noch. Die ungarischen Behörden müssten sofortige und angemessene Maßnahmen ergreifen, um weitere Fälle von Kollektivausweisungen zu verhindern und um einen echten und effektiven Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten.

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ISSN 2943-2871