Es kommt selten vor, dass ein Verwaltungsgericht ausdrücklich von aktueller Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht, weil es sie für falsch hält, aber es kommt vor, und so hält das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 26. März 2025 (Az. 18 K 155/24 V) offenbar nichts vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2024 (Az. 1 C 9.23), in dem unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon ausgegangen worden war, dass die Frist für die Visumantragstellung beim Kindernachzug zu einem als Flüchtling anerkannten Elternteil nicht zu laufen beginne, bevor das nachzugswillige Kind volljährig geworden sei. Das, so das Verwaltungsgericht, sei falsch gewesen, weil sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur „Fristhemmung“ auf eine andere Konstellation bezogen hätte, nämlich den Elternnachzug zu einem als Flüchtling anerkannten Kind, und nicht auf den Kindernachzug zu einem als Flüchtling anerkannten Elternteil. Eine Übertragung der EuGH-Rechtsprechung auf diese Konstellation sei jedenfalls im entschiedenen Verfahren nicht geboten, weil die Klägerin, nachdem ihrem Vater die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, bis zum Eintritt ihrer Volljährigkeit über eineinhalb Jahre lang Zeit gehabt hätte, einen Visumantrag zu stellen. Einer pauschalen Frist von drei weiteren Monaten für die Visumantragstellung nach Eintritt der Volljährigkeit bedürfe es in der Konstellation des Kindernachzuges zum anerkannten Flüchtling darum nicht. Immerhin hat das Verwaltungsgericht sowohl die Berufung als auch die Sprungrevision zugelassen.
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