Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof hat dem Gerichtshof in ihren lesenswerten Schlussanträgen vom 12. Juni 2025 (Rs. C-679/23 P) empfohlen (Pressemitteilung dazu), das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 6. September 2023 (Rs. T‑600/21) aufzuheben und an das Gericht zurückzuverweisen. In dem Verfahren versuchen Schutzsuchende, wegen der Beteiligung der EU-Grenzschutzagentur Frontex an ihrem Pushback von Griechenland in die Türkei im Oktober 2016 Schadensersatz einzuklagen.
Das erstinstanzlich zuständige Gericht hatte die Klage im September 2023 mit der Begründung abgewiesen (der HRRF-Newsletter hatte berichtet), dass der Pushback in der Verantwortung griechischer Behörden stattgefunden hätte, so dass die Frontex-Beteiligung für einen etwaigen Schaden der Kläger jedenfalls nicht ursächlich gewesen sei. Dies hält die Generalanwältin für falsch argumentiert, weil Frontex in Fällen gemeinsamer „Rückkehraktionen“ überprüfen müsse, ob für alle abgeschobenen Personen eine Rückkehrentscheidung vorliege, und bei einer Verletzung dieser Verpflichtung für Schäden haftbar sein müsse, auch wenn parallel ein Mitgliedstaat ebenso haftbar sei.
Die Generalanwältin geht in ihren Schlussanträgen nicht auf Fragen der Beweislast für die Kausalität der Frontex-Mitwirkung für den Schadenseintritt ein: Müssen die Kläger beweisen, dass der Schaden gerade wegen der Mitwirkung von Frontex entstanden ist (und sonst nicht entstanden wäre)? Oder muss umgekehrt Frontex beweisen, dass der Schaden auch sonst entstanden wäre (etwa wegen der Mitwirkung nationaler Behörden)? Sowohl in Analysen der erstinstanzlichen Entscheidung als auch im April 2025 in den Schlussanträgen des Generalanwalts in einem parallel beim Europäischen Gerichtshof anhängigen ähnlichen Verfahren standen solche Beweisfragen im Vordergrund. In der Argumentation der Generalanwältin in diesem Verfahren kommt es auf sie aber (noch) nicht an.
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