Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 9. September 2021 (Az. C‑768/19) entschieden, dass die EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU so auszulegen ist, dass bei der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen für die Frage, ob die Person, der internationaler Schutz bereits zuerkannt wurde, „minderjährig“ im Sinne dieser Bestimmung ist, auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem der Antragsteller – gegebenenfalls formlos – seinen Asylantrag eingereicht habe. In dem Verfahren, das aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts eingeleitet wurde, führte der EuGH aus, dass eine solche Auslegung sowohl mit den Zielen der Richtlinie im Einklang stehe als auch mit den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten, wonach das Wohl des Kindes eine vorrangige, von den Mitgliedstaaten besonders zu berücksichtigende Erwägung darstellen müsse, bei deren Beurteilung sie u.a. dem Grundsatz des Familienverbands sowie dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen gebührend Rechnung tragen müssten.