In seinem Beschluss vom 26. Oktober 2022 (Az. 11 S 1467/22) nimmt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in einem Eilverfahren zu verschiedenen Fragen des rechtlichen Status von aus der Ukraine nach Deutschland geflohenen Drittstaatsangehörigen Stellung.
Danach sei einem Ausländer, der die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantrage und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 2 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 UkraineAufenthÜV rechtmäßig sei, bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 81 Abs. 7 AufenthG eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 AufenthG auszustellen, ohne dass es darauf ankomme, ob ihm der Aufenthaltstitel letztlich zu erteilen sein werde. Diese Aussage des VGH ist immerhin auch eine deutliche Absage an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das noch argumentiert hatte, dass zwar der Wortlaut des § 81 Abs. 5 AufenthG nahelege, dass allein die Tatsache der Antragstellung nach § 24 Abs. 1 AufenthG zur Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung führen solle und sich auch aus Sinn und Zweck der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung entnehmen lasse, dass diese bereits zu einem Zeitpunkt erteilt werden solle, zu dem noch keine abschließende und endgültige Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen habe stattfinden können, jedoch zumindest auch deutliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass die antragstellenden Personen in den Kreis der von § 24 AufenthG Berechtigten fielen.
Einen Anspruch auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit habe der Antragsteller dagegen nicht, so der VGH. Eine unmittelbare Anwendung von § 81 Abs. 5a AufenthG scheide aus, weil der beantragte Aufenthaltstitel kein Titel nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 AufenthG sei, sondern ein Titel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG. Auch eine analoge Anwendung von § 81 Abs. 5a AufenthG scheide aus, weil es sich um eine abschließende und damit nicht analogiefähige Sonderregelung handele. Soweit das Bundesministerium des Innern und für Heimat in seinen Länderschreiben zur Umsetzung des Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 offenbar von einer Analogiefähigkeit des § 81 Abs. 5a AufenthG ausgehe, handele es sich um bloße Anwendungshinweise, die weder für die Antragsgegnerin noch für das Gericht Bindungswirkung entfalten würden. Die seit Ausbruch des Ukraine-Krieges ergangenen Hinweisschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat seien schon wegen der fehlenden Zustimmung des Bundesrats keine die Länder bindenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG.
Auch aus europäischem Recht, insbesondere aus Art. 12 der Massenzustromrichtlinie, ergebe sich kein Anspruch des Antragstellers auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit, weil er nicht unter die vom Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 umfassten Personengruppen falle. Zwar habe Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses auch solchen Drittstaatsangehörigen Schutz zu gewähren, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können, der Antragsteller habe jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass er nicht sicher und dauerhaft nach Nigeria zurückkehren könne. Allein der Umstand, dass der Antragsteller keine Möglichkeit sehe, in Nigeria sein Studium zu beenden oder eine vergleichbare Ausbildung zu genießen, reiche ersichtlich nicht für die begründete Annahme aus, dass er im Sinne eines zielstaatsbezogenen Rückkehrhindernisses nicht sicher und dauerhaft dorthin werde zurückkehren können.
Einen Anspruch schließlich, in die Fiktionsbescheinigung einen Hinweis auf eine Antragstellung gemäß § 24 AufenthG aufzunehmen, sieht der VGH ebenfalls nicht. Die in einer Fiktionsbescheinigung aufzuführenden Informationen seien in § 78a Abs. 5 AufenthG abschließend aufgeführt; soweit ein Hinweis auf die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG insbesondere die Beantragung von Leistungen nach dem SGB II vereinfachen würde, sei es im Rahmen des Eilverfahrens weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller nicht auch auf andere Art und Weise den Nachweis erbringen könne, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG beantragt zu haben.