74

Allgemein nicht bekannt

Das Landgericht Coburg kümmert sich in dieser Woche um die Inhaftierung von Abschiebungshaftgefangenen in einer ehemaligen Justizvollzugsanstalt, der Europäische Gerichtshof immerhin mal um eines der vom Verwaltungsgericht Wiesbaden initiierten Vorabentscheidungsverfahren, das Bundesverwaltungsgericht um die Wählbarkeit in einen Integrationsbeirat und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hoffentlich abschließend um die gerichtliche Zuständigkeit für ausländerrechtliche Durchsuchungsanordnungen. Außerdem sei auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999 hingewiesen, der in Hinblick auf das bevorstehende Chancen-Aufenthaltsrecht erneut relevant geworden ist.

  • Inhaftierung von Abschiebungshaftgefangenen in ehemaliger JVA Eichstätt rechtswidrig

    Das Landgericht Coburg hält in seinem Beschluss vom 7. November 2022 (Az. 41 T 25/21) die Inhaftierung von Abschiebungshaftgefangenen in der ehemaligen JVA Eichstätt für rechtswidrig. Die ehemalige JVA werde zwar nunmehr ausschließlich für Abschiebungshäftlinge genutzt, allerdings handele es sich bei ihr nicht um eine spezielle Abschiebungshafteinrichtung nach Art. 16 Abs. 1 der EU-Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG, was sich letztlich aus den baulichen Gegebenheiten der Einrichtung als ehemaliger JVA und aus dem Umstand ergebe, dass der Haftvollzug im Wesentlichen auf Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes beruhe, und was zur Rechtswidrigkeit der Haft führe. Ob das nicht genauso für andere bayerische Abschiebungshafteinrichtungen gelten muss, und ob die anderen zuständigen bayerischen Landgerichte dies nicht auch so sehen, und wie überhaupt die bayerische Staatsregierung damit umzugehen gedenkt, liefert hoffentlich noch Stoff für viele weitere Newsletter-Ausgaben.

  • EuGH zu Akteneinsicht und Schriftform im Asylverfahren

    In seinem Urteil vom 1. Dezember 2022 (Rs. C-564/21) hat sich der Europäische Gerichtshof auf Grundlage eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zu der Frage geäußert, welche europarechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Akteneinsicht im Asylverfahren zu stellen sind und wie die Formulierung in Art. 11 Abs. 1 der EU-Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU zu verstehen ist, die eine „schriftliche“ Entscheidung über Asylanträge verlangt. Danach steht Europarecht der deutschen Verwaltungspraxis grundsätzlich nicht entgegen, Einsicht in die elektronische Akte in Form einer Abfolge einzelner PDF‑Dateien ohne durchgehende Paginierung zu übermitteln, und erfordert Europarecht nicht, dass eine Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz mit der Unterschrift des Bediensteten der zuständigen Behörde, der die Entscheidung verfasst hat, versehen sein muss.

  • Wählbarkeit von Personen mit Migrationshintergrund zu einem Integrationsbeirat

    In seiner Pressemitteilung vom 29. November 2022 weist das Bundesverwaltungsgericht auf sein Urteil vom selben Tag (Az. 8 CN 1.22) hin, in dem es entschieden hat, dass die Wählbarkeit von Personen mit Migrationshintergrund zu einem Integrationsbeirat nicht von einem gesichertem Aufenthaltsrecht abhängen darf. Die angegriffene Regelung benachteilige Personen mit Migrationshintergrund, die über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen, und diene zwar einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, weil sie darauf ziele, eine kontinuierliche Mitwirkung der Gewählten im Beirat zu sichern, sei aber nicht geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen, weil es keine Rückschlüsse auf die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts im Landkreis erlaube. Für die Aufenthaltsdauer wesentliche rechtliche Möglichkeiten zur Verlängerung und Verfestigung des Aufenthalts würden ausgeblendet, gleiches gelte für die tatsächlichen Umstände des Aufenthalts. So könne sich bei einer Duldung zu Ausbildungszwecken oder wegen eines langjährigen Kriegs oder Bürgerkriegs im Herkunftsstaat ebenfalls eine voraussichtlich längere Aufenthaltsdauer ergeben. Der Volltext des Urteils ist noch nicht verfügbar.

  • Verfassungsgericht 1999 zur Relevanz einer bevorstehenden Bleiberechtsregelung

    In dieser Woche wurde in der Süddeutschen Zeitung, wie bereits im Frühling diesen Jahres unter anderem in der ANA-ZAR, auf eine bereits 23 Jahre alte Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. Februar 1999 (Az. 2 BvR 283/99) zur Relevanz einer bevorstehenden Bleiberechtsregelung für die Verhinderung von Abschiebungen hingewiesen, die bei den betroffenen Behörden „allgemein nicht bekannt war“. Danach gelte, dass auf den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen verzichtet werden müsse, wenn der (gesetzgeberische) Beschluss einer Bleiberechtsregelung zumindest „konkretisiert unmittelbar bevorstehe“ und die von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Betroffenen davon profitieren würden.

  • Schlusspunkt im Kompetenzkonflikt um ausländerrechtliche Durchsuchungsanordnungen

    Mit Beschluss vom 23. November 2022 (Az. 13 ME 276/22) hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg seine bisherige Rechtsprechung zur gerichtlichen Zuständigkeit für die Anordnung ausländerrechtlicher Durchsuchungsanordnungen in Niedersachen aufgegeben und sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 19. Oktober 2022, Az. 1 B 65/22) angeschlossen.

  • Vermischtes vom Bundesverwaltungsgericht

    Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. Oktober 2022 (Az. 1 B 34.22) eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Verfahren zurückgewiesen, in dem es um die Relevanz von Wehrdienstentziehung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und um die Definition der „starken Vermutung“ ging.

Die Kommentarfunktion findet sich bei den einzelnen Beiträgen: Einfach auf die Überschrift klicken, um zum jeweiligen Beitrag zu gelangen.

Neueste Newsletter

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

  • Praktische Wirksamkeit

    So richtig viel war nicht los in der flüchtlingsrechtlichen Rechtsprechung in dieser Woche (bitte senden Sie gerne aktuelle Entscheidungen ein!), ein wenig dann aber doch. Es geht unter anderem um die nunmehr vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Frage, ob ein aus dem EU-Primärrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht von der…

    Weiterlesen..

  • Kompetentes Personal

    Der Europäische Gerichtshof hat es schon wieder getan und räumt mit der Gewohnheit offenbar vieler nationaler Asylbehörden auf, die Fristen zur Entscheidung über Asylanträge fast schon regelhaft von sechs auf 15 Monate zu verlängern. Das Verwaltungsgericht Stade mahnt derweil eine qualifizierte Auseinandersetzung mit ausländischen Flüchtlingsanerkennungen an,…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871