Keine Rückholung im Eilverfahren

Eine einstweilige Anordnung auf Rückholung eines rechtswidrig aus Deutschland abgeschobenen Ausländers würde die Vorwegnahme der Hauptsache einer parallel erhobenen Klage bedeuten, weswegen die Feststellung eines besonderen Interesses gerade an der vorgezogenen vorläufigen Regelung (nämlich einer einstweiligen Rückholung nach Deutschland) grundsätzlich voraussetzt, dass für den Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, sagt das Oberverwaltungsgericht Schleswig in seinem Beschluss vom 10. Juni 2025 (Az. 6 MB 16/25). Mit Blick auf das laufende Asyl-Folgeantragsverfahren sei dem Antragsteller zwar zuzustimmen, dass in einem längeren Aufenthalt in der Türkei ein Indiz für eine fehlende Verfolgungsgefahr bzw. Gefährdungslage gesehen werden könnte; insoweit handele es sich jedoch allein um eine verfahrenstaktische Erwägung für das Asylverfahren, weil der Antragsteller nichts dazu vorgetragen habe, dass seine individuellen Rechtsgüter beeinträchtigt würden, wenn er bis zur Hauptsacheentscheidung in der Türkei verbliebe.

Mal wieder eine Abschiebung, bei der eine gerichtliche Eilentscheidung ignoriert wurde – das hatten wir zuletzt im Januar diesen Jahres. In dem Verfahren hatte das Verwaltungsgericht am 16. Januar 2025 die aufschiebende Wirkung der Klage des Betroffenen angeordnet und hatte das beklagte Bundesamt den Beschluss am 17. Januar 2025 an die Ausländerbehörde übermittelt, die den Betroffenen jedoch bereits am „Vormittag des 17. Januar 2025“ in die Türkei abgeschoben hatte. Da es sich um einen erneuten (weiteren) Asylfolgeantrag handelte, gingen Bundesamt und Ausländerbehörden offenbar von der Anwendbarkeit des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG aus, während das Verwaltungsgericht anscheinend § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG für einschlägig hielt. Alles etwas undurchsichtig.

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ISSN 2943-2871