Vorliegen von Zweitanträgen weiter unklar

Wer erinnert sich noch an das EuGH-Urteil zu Zweitanträgen aus dem Dezember 2024? Der Gerichtshof hatte damals festgehalten, dass ein grenzüberschreitend gestellter Folgeantrag (also nach deutscher Diktion ein Zweitantrag, siehe § 71a AsylG) nur dann vorliegt, wenn der neue Antrag erst gestellt wird, nachdem das erste Asylverfahren endgültig abgeschlossen ist. Vielleicht war das EuGH-Urteil aber unklar und muss man die Kriterien für die Annahme eines solchen Folgeantrags noch präziser definieren, meint das Oberverwaltungsgericht Koblenz in seinem Urteil vom 23. Juni 2025 (Az. 13 A 11428/21.OVG), weil doch der Staat, in dem der neue Asylantrag gestellt wird, auch nach der Dublin-III-Verordnung zuständig sein muss, so dass ein neuer Asylantrag jedenfalls kein Folgeantrag (d.h. hier Zweitantrag) sein könne, solange die Dublin-Zuständigkeit nicht gewechselt habe. Diese Frage scheint umstritten zu sein und das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, sich aber gegen ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof entschieden, weil beim Bundesverwaltungsgericht offenbar bereits zwei Revisionsverfahren (Az 1 C 9.25 und 1 C 7.25) zu der Frage anhängig sind, die darum dort zunächst prozessökonomischer beantwortet werden könnten.

Dass man das alles auch ganz anders sehen kann, zeigt das Oberverwaltungsgericht Schleswig, das in seinem Beschluss vom 26. August 2025 (Az. 6 LA 72/24) auf das Koblenzer Urteil aus dem Juni Bezug nimmt, es aber nicht nachvollziehen kann. Die Frage sei durch das EuGH-Urteil aus dem Dezember 2024 geklärt worden, dabei sei dem Gerichtshof die Besonderheit der Dublin-Zuständigkeit bewusst gewesen, auch wenn er sie nicht angesprochen habe. Warum das OVG Koblenz gleichwohl „Bedeutung und Reichweite“ der vom Gerichtshof getroffenen Aussage in Frage stelle, erschließe sich nicht, eine grundsätzliche Bedeutung habe die Frage jedenfalls nicht mehr.

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ISSN 2943-2871