EuGH zum Zeitpunkt der Minderjährigkeit bei Antrag eines Familienangehörigen auf internationalen Schutz

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 9. September 2021 (Az. C‑768/19) entschieden, dass die EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU so auszulegen ist, dass bei der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen für die Frage, ob die Person, der internationaler Schutz bereits zuerkannt wurde, „minderjährig“ im Sinne dieser Bestimmung ist, auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem der Antragsteller – gegebenenfalls formlos – seinen Asylantrag eingereicht habe. In dem Verfahren, das aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts eingeleitet wurde, führte der EuGH aus, dass eine solche Auslegung sowohl mit den Zielen der Richtlinie im Einklang stehe als auch mit den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten, wonach das Wohl des Kindes eine vorrangige, von den Mitgliedstaaten besonders zu berücksichtigende Erwägung darstellen müsse, bei deren Beurteilung sie u.a. dem Grundsatz des Familienverbands sowie dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen gebührend Rechnung tragen müssten.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871