Atypische Fallkonstellation bei Vorliegen eines Ausweisungsinteresses

Die im Rahmen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung bestehender Ausweisungsinteressen mit widerstreitenden Bleibeinteressen habe sich, um eine insoweit nicht gebotene inzidente umfassende Prüfung einer hypothetischen Ausweisung zu vermeiden, auf ohne Weiteres erkennbare Gesichtspunkte zu beschränken, so das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Beschluss vom 17. Mai 2022 (Az. 13 ME 113/22). Stünden dabei schwerwiegenden Ausweisungsinteressen im Sinne des § 54 Abs. 2 AufenthG erkennbar vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend eingeordnete Bleibeinteressen im Sinne des § 55 Abs. 1 AufenthG gegenüber, so sei im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG grundsätzlich vom Bestehen einer atypischen Fallkonstellation auszugehen, die es bereits auf Tatbestandsseite gebiete, vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen. Der Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, Kettenduldungen grundsätzlich zu vermeiden, stehe es entgegen, den Aufenthalt eines Ausländers, bei dem schwerwiegende Ausweisungsinteressen und besonders schwerwiegende Bleibeinteressen einander gegenüberstehen, auf lange Sicht lediglich zu dulden und damit die Ausnahme zur Regel zu machen.

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ISSN 2943-2871