Sächsische Abschiebungsbehörde ignoriert gerichtliche Eilentscheidung

Die Landesdirektion Sachsen, die in Sachsen unter anderem gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsAAZuVO für Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung zuständig ist, hat am 11. Juli 2024 eine Abschiebung nach Marokko trotz eines dies untersagenden Eilbeschlusses des Verwaltungsgerichts Chemnitz fortgesetzt und den Eilbeschluss ignoriert. Das Verfahren ist allerdings insoweit unübersichtlich, als der Eilbeschluss sich gegen die örtliche Ausländerbehörde Chemnitz richtete, die für die Abschiebung nicht zuständig war. In Folge fühlten sich sowohl die örtliche Ausländerbehörde als auch die Landesdirektion nicht an den Eilbeschluss gebunden und wurde die Bundespolizei von keiner der beiden Behörden instruiert, die Abschiebung abzubrechen. Fünf Tage nach der Abschiebung verpflichtete das Verwaltungsgericht Chemnitz beide Behörden dazu, den abgeschobenen Ausländer innerhalb von sieben Tagen zurückzuholen, weil sie es „unter grober Missachtung ihrer Bindung an Recht und Gesetz“ unterlassen hätten, die Abschiebung auszusetzen. Dies wollte die örtliche Ausländerbehörde nicht akzeptieren und legte Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Bautzen ein, das ihr in zwei Beschlüssen vom 22. Juli 2024 (Az. 3 B 111/24 und 3 B 112/24) Recht gab, eben weil die örtliche Ausländerbehörde nicht zuständig sei. Das Oberverwaltungsgericht hat zu diesen Beschlüssen auch eine Pressemitteilung veröffentlicht. An der Rückholverpflichtung der Landesdirektion ändert sich nichts, weil sie gegen den Rückholbeschluss des Verwaltungsgerichts (noch) keine Rechtsmittel eingelegt hat.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871