Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat in ihrem Urteil vom 29. April 2025 (Az. 63386/16, Mansouri gg. Italien) eine im Jahr 2016 erhobene Beschwerde gegen eine mutmaßliche einwöchige Freiheitsentziehung in Folge einer Zurückweisung an der italienischen Grenze mangels Erschöpfung des nationalen Rechtswegs als unzulässig zurückgewiesen. In dem Verfahren war ein tunesischer Staatsangehöriger nach seiner Zurückweisung an der Grenze per Schiff zurück nach Tunesien befördert worden und hatte vorgebracht, während der Schiffspassage in seiner Kabine eingesperrt gewesen zu sein, was eine menschenrechtswidrige Freiheitsentziehung dargestellt habe. Der Gerichtshof warf dem Beschwerdeführer vor, nicht zunächst vor italienischen Gerichten Rechtsmittel gegen die mutmaßliche Freiheitsentziehung eingelegt zu haben. Auch wenn es im Jahr 2016 noch keine Rechtsprechung italienischer Gerichte zur Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung infolge einer Zurückweisung an der Grenze gegeben habe, hätte der Beschwerdeführer zunächst versuchen müssen, eine solche Rechtsprechung zu etablieren (Rn. 99). Der Gerichtshof hat zu seiner Entscheidung auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
An der Entscheidung ist vor allem bemerkenswert, dass sie von der Großen Kammer getroffen wurde, was selten genug vorkommt. Gemäß Art. 30 EMRK kann eine Beschwerde wie hier gerichtsintern an die Große Kammer verwiesen werden, wenn sie eine schwerwiegende Frage der Auslegung der EMRK aufwirft. Welche Frage das gewesen sein soll, erschließt sich aus dem Urteil nicht, das die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Erfordernis der Erschöpfung des nationalen Rechtswegs lediglich fortführt.
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