Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften beim vorübergehenden Schutz

Der Verwaltungsgerichtshof München korrigiert in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2023 (Az. 10 C 23.1793) das Verwaltungsgericht München wegen eines allzu konservativen Verständnisses von rechtlich schützenswerten Lebensgemeinschaften. In dem Verfahren ging es inhaltlich um den Anspruch eines drittstaatsangehörigen nichtehelichen Lebenspartners einer ukrainischen Staatsangehörigen auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG. Das Verwaltungsgericht sah keine Erfolgsaussichten für ein solches Ansinnen, weil nach Art. 2 Abs. 4 lit. a) Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 unverheiratete Lebenspartner einer schutzberechtigten Person nur dann schutzberechtigt seien, sofern unverheiratete Paare nach den nationalen ausländerrechtlichen Rechtsvorschriften oder den „Gepflogenheiten“ des betreffenden Mitgliedstaats verheirateten Paaren gleichgestellt seien. Das deutsche Aufenthaltsrecht sehe aber einen Familiennachzug nur zu Ehepartnern und Lebenspartnern im Sinne des LPartG vor, Art. 6 GG schütze nur Ehe und Familie und eine Gleichstellung unverheiratet zusammenlebender Paare mit verheirateten Paaren finde nach dem deutschen Aufenthaltsrecht eben nicht statt. Der Verwaltungsgerichtshof fand das offenbar etwas undifferenziert und verwies auf den Beschluss des Bundesministeriums des Innern vom 14. März 2022. Wenn das Bundesinnenministerium darin den Kreis der begünstigten Angehörigen entsprechend der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c) FreizügG/EU auf Lebensgefährten von ukrainischen Staatsangehörigen erstrecke, könne hierin eine „Gepflogenheit“ im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Buchst. a) Alt. 2 Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 liegen, die auch Personen wie dem Kläger einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermittele. Jedenfalls sei diese Frage bislang in der Rechtsprechung soweit ersichtlich ungeklärt und nicht ohne Weiteres anhand des Gesetzes zu beantworten, sodass die Erfolgsaussichten der Klage zumindest offen seien.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Refoulement by Proxy

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weiß auch nicht mehr weiter und erklärt sich für unzuständig, wenn es um die Externalisierung von Pushbacks im Mittelmeer geht. Dafür scheint aber in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Schadensersatzklage gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex das letzte Wort noch nicht gesprochen zu…

    Weiterlesen..

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

  • Praktische Wirksamkeit

    So richtig viel war nicht los in der flüchtlingsrechtlichen Rechtsprechung in dieser Woche (bitte senden Sie gerne aktuelle Entscheidungen ein!), ein wenig dann aber doch. Es geht unter anderem um die nunmehr vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Frage, ob ein aus dem EU-Primärrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht von der…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871