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Abschiebung nach Afghanistan?

Im Fokus der Entscheidungen dieser Woche steht sicher die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine Abschiebung nach Afghanistan vorläufig untersagt hat. Dies hat Deutschland und Österreich nur mäßig beeindruckt, soll doch in anderen Fällen weiterhin abgeschoben werden. Außerdem in dieser Ausgabe: 10 weitere Entscheidungen zum materiellen Asylrecht, zum Verfahrensrecht und zur Frage, ob eine Dublin-Überstellung eine Kindesentziehung darstellen kann.

  • EGMR stoppt Abschiebung nach Afghanistan

    Mit Beschluss vom 2. August 2021 (Az. 38335/21, R.A. gg. Österreich) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine vorläufige Maßnahme gegen Österreich erlassen, die die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zunächst bis zum 31. August 2021 untersagt. Hintergrund der Entscheidung sind die sich verschlechternde Situation in Afghanistan sowie die Entscheidung der afghanischen Regierung, jedenfalls vorübergehend keine Abschiebungen in das Land mehr zulassen zu wollen.

  • Verfassungswidrige Versagung von Eilrechtsschutz

    Mit Beschluss vom 1. Juli 2021 (Az. 2 BvR 627/21) hat das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss des VG Gießen aufgehoben, in dem das VG es aus Sicht des BVerfG verfassungswidrig unterlassen habe, einen Antrag auf Eilrechtsschutz inhaltlich zu prüfen. In dem asylrechtlichen Verfahren hatte das VG sowohl den nach § 123 VwGO gestellten Eilantrag als auch den hilfsweise nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Eilantrag für unstatthaft und unzulässig gehalten.

  • Tschetschenische Regimeregner in der Russischen Föderation

    Das OVG Bautzen bejaht in seinem Beschluss vom 19. Juli 2021 (Az. 6 A 201/18.A) die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob für Personen, die tschetschenische Behörden als Unterstützer von Aufständischen sehen, in der übrigen Russischen Föderation interner Schutz (§ 3e AsylG) bestehe. Das OVG hat die Berufung gegen ein Urteil des VG Leipzig entsprechend zugelassen.

  • Keine isolierte Verpflichtungsklage bei § 37 AsylG

    Ist ein Asylverfahren vom Bundesamt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzuführen, sei eine (vorab) auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG durch das Bundesamt gerichtete (isolierte) Verpflichtungsklage nicht statthaft, so das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. Mai 2021 (Az. 1 C 6.20). Stattgebender Eilrechtsschutz habe zur Folge, dass das Bundesamt erneut über das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu entscheiden habe, daher sei nur eine Anfechtungsklage statthaft.

  • Keine Gehörsverletzung, wenn gerichtliche Anhörungsmitteilung missverstanden wurde

    Mit Beschluss vom 30. Juni 2021 (Az. 1 B 33.21) hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass es keine Gehörsverletzung darstelle, wenn eine gerichtliche Anhörungsmitteilung von einem Verfahrensbeteiligten missverstanden wurde. Die Formulierung, dass Gelegenheit gegeben werde, zu einer beabsichtigten Entscheidung eines Gerichts Stellung zu nehmen, sei aus Sicht eines verständigen, notwendig rechtskundig vertretenen Beteiligten nicht missverständlich gewesen.

  • Behandelbarkeit von PTBS in Schleswig-Holstein

    Das OVG Bremen geht in seinem Beschluss vom 29. Juli 2021 (Az. 2 B 263/21) davon aus, dass die Versorgung psychisch kranker Menschen in Schleswig-Holstein nicht wesentlich schlechter als in Bremen sei. Sofern die Antragsteller dies anders sähen, mangelte es an entsprechendem substantiiertem Vorbringen.

  • Familienasyl für Eltern nach Volljährigkeit des Kindes

    Den Eltern eines im Zeitpunkt ihres Asylgesuchs minderjährigen und ledigen, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag der Eltern aber volljährigen und verheirateten Flüchtlings ist Familienflüchtlingsschutz nach § 26 AsylG zu gewähren, so das OVG Bremen in seinem Urteil vom 20. Juli 2021 (Az. 2 LB 96/21). Sowohl für die Minderjährigkeit als auch für die Ledigkeit und für das Innehaben der Personensorge im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG komme es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung des Elternteils (§ 13 AsylG) und nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag an, für die Unverzüglichkeit der Asylantragstellung im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 AsylG komme es nicht auf den formellen Asylantrag (§ 14 AsylG), sondern auf das Asylgesuch (§ 13 AsylG) an.

  • Dublin-Überstellung ist keine Kindesentziehung

    Mit Urteil vom 2. August 2021 (Az. C-262/21 PPU) hat der EuGH entschieden, dass das Verbringen eines Kindes im Zuge einer Dublin-Überstellung kein widerrechtliches Verbringen oder widerrechtliches Zurückhalten des Kindes im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung (VO (EG) Nr. 2201/2003) darstelle. Die Beachtung einer Überstellungsentscheidung nach der Dublin-III-Verordnung könne dem Elternteil, mit dem das Kind überstellt werde, nicht angelastet werden.

  • Gehörsverstoß nach Ablehnung eines Zeugenbeweises

    Lehnt das Verwaltungsgericht einen angebotenen Zeugenbeweis ab, liegt ein Gehörsverstoß vor, sofern wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Wahrheitsgehalt der zu beweisenden Tatsachenbehauptung spreche, so das OVG Bautzen in seinem Beschluss vom 10. Juni 2021 (Az. 6 A 139/19.A). Insbesondere dürfe ein Beweisantrag nicht schon dann abgelehnt werden, wenn eine zu beweisende Behauptung nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruhe.

  • Kein Gehörsverstoß, wenn Rechtsanwalt verhindert ist

    Es gebe keinen Anspruch, dass ausschließlich der sachbearbeitende Rechtsanwalt den Termin zur mündlichen Verhandlung vor einem Verwaltungsgericht wahrnehme, so das OVG Bautzen in seinem Beschluss vom 12. Juli 2021 (Az. 6 A 387/18.A) und es konstituiere keinen Gehörsverstoß, wenn das Gericht eine wegen Verhinderung des Rechtsanwalts beantragte Terminsaufhebung ablehne, solange keine erheblichen Gründe für die Abwesenheit vorlägen. Zwar gebe es im Regelfall einen Anspruch der Beteiligten, sich in der mündlichen Verhandlung von dem von ihnen beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft sei aber regelmäßig zumutbar, bei einem Einzelanwalt könne darüber hinaus auch die Heranziehung eines anderen Rechtsanwalts zumutbar sein.

  • Keine Zulassung der Berufung ohne ladungsfähige Anschrift

    Mit Beschluss vom 21. Juli 2021 (Az. 15 ZB 21.30628) hat der VGH München festgehalten, dass ein Antrag auf Zulassung der Berufung unzulässig sei, wenn der Kläger keine ladungsfähige Anschrift mehr habe. Der Antrag verstoße dann schon gegen § 82 VwGO, außerdem liege kein Rechtsschutzinteresse vor.

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ISSN 2943-2871