Abschiebungshaft
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Behörden haften für Versäumnisse anderer Behörden
Ein Antrag auf Anordnung von Abschiebungshaft oder von Ausreisegewahrsam ist unbegründet, und eine gleichwohl angeordnete Haft rechtswidrig, wenn ein Abschiebungshindernis vorliegt, von dem zwar nicht die antragstellende Behörde weiß, aber eine andere deutsche Behörde, die die Information über das Abschiebungshindernis nicht rechtzeitig weitergeleitet hat, sagt der Bundesgerichtshof (erneut) in seinem Beschluss vom 26. März 2024…
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Rechtswidrige Haft bei zu kurzen Besuchs- und zu langen Einschlusszeiten
Abschiebungshaft ist rechtswidrig, wenn der Inhaftierte dabei einem Zwang ausgesetzt ist, der nicht auf das zur Gewährleistung eines wirksamen Rückkehrverfahrens unbedingt erforderliche Maß beschränkt ist, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. März 2024 (Az. III ZB 85/22). In dem Verfahren ging es um die Haftbedingungen in der Abschiebungshaftanstalt Hof (Bayern), die der BGH…
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Gruppenanhörung ist stets rechtswidrig
Eine gemeinsame persönliche Anhörung von Betroffenen, gegen die jeweils Haft zur Sicherung der Abschiebung beantragt worden ist, verstößt gegen die für die richterliche Anhörung vorgeschriebene Nicht-Öffentlichkeit gemäß § 170 GVG und begründet einen absoluten Rechtsbeschwerdegrund, der zur Rechtswidrigkeit der auf Grund dieser Anhörung angeordneten Haft führt, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. März 2024…
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Keine Anhörung per Videokonferenz
Mit Beschluss vom 26. März 2024 (Az. XIII ZB 34/22) hat der Bundesgerichtshof erneut festgestellt, dass eine Haftanhörung nur im absoluten Ausnahmefall als Videoanhörung stattfinden darf. § 420 Abs. 2 FamFG, der eine persönliche Anhörung für entbehrlich erkläre, wenn der Betroffene an einer übertragbaren Krankheit leide, sei in Hinblick auf den schwerwiegenden Grundrechtseingriff einer Freiheitsentziehung einschränkend auszulegen.
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Ausländerbehörde darf irren
In einem Beschluss vom 20. Februar 2024 (Az. XIII ZB 29/22) geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Freiheitsentziehungssachen nicht vorliegt, wenn die Ausländerbehörde in der unzutreffenden Annahme, eine Abschiebung zu einem früheren Zeitpunkt durchführen zu können, zunächst eine objektiv zu kurze Haft beantragt und später deren Verlängerung erwirken muss.
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Materielle Rechtskraft hat Grenzen
Einem nach Erledigung als Feststellungsantrag weiterverfolgten Haftaufhebungsantrag steht die materielle Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts über die Beschwerde gegen die Haftanordnung nicht entgegen, wenn darin nicht über einen Feststellungantrag entschieden wurde, sagt der Bundesgerichtshof in einem weiteren Beschluss vom 20. Februar 2024 (Az. XIII ZB 42/21).
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Willkürliche Inhaftierung während des Asylverfahrens
Mit einer aus seiner Sicht willkürlichen und damit gegen Art. 5 EMRK verstoßenden Inhaftierung eines Schutzsuchenden während seines Asylverfahrens in den Niederlanden hatte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 23. April 2024 (Az. 71008/16, M.B. gg. die Niederlande) zu beschäftigen. Die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK…
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Haftgericht muss Reisefähigkeit prüfen
Bescheinigt der im ärztlichen Dienst einer Abschiebungshafteinrichtung tätige Arzt, dass es an der Reisefähigkeit eines abzuschiebenden Ausländers fehlt, so kann dies einen tatsächlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung begründen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 5. März 2024 (Az. XIII ZB 12/22).…
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Copy & Paste im Haftbeschluss unschädlich
Die wörtliche Übernahme von Teilen eines Haftantrags durch den Haftrichter rechtfertigt nicht die Annahme, dass bei der Abfassung des Haftbeschlusses keine eigenverantwortliche Prüfung des übernommenen Textes stattgefunden hat, meint der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 5. März 2024 (Az. XIII ZB 65/22). Dies könne nur bei Vorliegen hinreichender und konkreter Anhaltspunkte dafür begründet sein, dass…
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BGH jetzt noch formalistischer
Nur weil ein Verfahrensbevollmächtigter im Verfahren über eine einstweilige Haftanordnung bestellt war, heißt das noch lange nicht, dass er auch im Hauptsacheverfahren bestellt sein muss, meint der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 30. Januar 2024 (Az. XIII ZB 4/22), weil es sich ja schließlich gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 FamFG um eigenständige Verfahren handele, so…