Materielles Flüchtlingsrecht
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Interner Schutz in Russland bei drohender Verfolgung in Tschetschenien
Das Oberverwaltungsgericht Greifswald geht in seinem Urteil vom 17. Juni 2024 (Az. 4 LB 215/20 OVG) davon aus, dass bei drohender Verfolgung durch tschetschenische Sicherheitsbehörden regelmäßig interner Schutz in anderen Landesteilen Russlands zugänglich ist, so dass Betroffene keine Anerkennung als Flüchtling erreichen können. Die Macht der tschetschenischen Sicherheitskräfte sei außerhalb Tschetscheniens formal und faktisch durch…
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Opfer häuslicher Gewalt sollen keine soziale Gruppe sein
Frauen, die in Armenien von häuslicher Gewalt betroffen sind, stellen keine bestimmte soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar, meint das Oberverwaltungsgericht Schleswig in seinem Beschluss vom 30. Mai 2024 (Az. 5 LA 21/22). Sie hätten nämlich keine deutlich abgegrenzte Identität, weil das äußere Merkmal, als Frau Opfer häuslicher Gewalt zu…
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„Verwestlichte“ Frauen können eine soziale Gruppe bilden
Je nach den Gegebenheiten in ihrem Herkunftsland können Frauen, die Staatsangehörige dieses Landes sind und als gemeinsames Merkmal ihre tatsächliche Identifizierung mit dem Grundwert der Gleichheit von Frauen und Männern teilen, zu der es im Zuge ihres Aufenthalts in einem EU-Staat gekommen ist, als einer „bestimmten sozialen Gruppe“ zugehörig angesehen werden und bei einer befürchteten…
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Flüchtlingsschutz für UNRWA-Palästinaflüchtlinge aus dem Gazastreifen möglich
In seinem Urteil vom 13. Juni 2024 (Rs. C-563/22) klärt der Europäische Gerichtshof zwei Dinge: Zum einen, dass bei der Prüfung der Begründetheit eines Folgeantrags nicht nur neue Umstände zu berücksichtigen sind, sondern auch bereits in einem früheren Asylverfahren vorgebrachte Umstände, wenn nur die Zulässigkeit des Folgeantrags festgestellt wurde. Zum anderen, dass ein von der…
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Immer noch keine ungewisse Lage im Gazastreifen
Auch das Verwaltungsgericht Hamburg geht in seinem Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2024 (Az. 14 A 789/24) davon aus, dass im Gazastreifen derzeit keine vorübergehend ungewisse Lage im Sinne von § 24 Abs. 5 AsylG besteht. Aufgrund der anhaltenden Dauer der Kampfhandlungen, ihrer Schwere und mangels Absehbarkeit einer Beendigung sowie aufgrund des hohen Zerstörungsgrades der relevanten Infrastruktur lägen…
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Keine Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung in Syrien
Auf eine Berufung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hin hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 13. Februar 2024 (Az. OVG 3 B 22/23) ein erstinstanzliches Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem August 2017 (!) aufgehoben, in dem einem Schutzsuchenden aus Syrien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, weil ihm aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung in…
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Keine ungewisse Lage im Gazastreifen
Das Verwaltungsgericht Schleswig hält in seinem Beschluss vom 17. Mai 2024 (Az. 15 A 193/22) nichts von der Argumentation des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass im Gazastreifen derzeit eine vorübergehend ungewisse Lage im Sinne von § 24 Abs. 5 AsylG bestehe, so dass das Bundesamt seine Entscheidung über einen Asylantrag aufschieben könne. Abgesehen davon, so das…
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Politmalus in der Türkei bei Strafverfahren nach Art. 220 StGB
Die Strafvorschrift des Art. 220 Abs. 7 des türkischen Strafgesetzbuchs (wissentliche und willentliche Hilfe für eine kriminelle Organisation) habe als solche zwar keinen Verfolgungscharakter, meint das Oberverwaltungsgericht Bautzen in seinem Urteil vom 7. Februar 2024 (Az. 5 A 234/19.A), nach der türkischen Strafverfolgungspraxis sei aber davon auszugehen, dass im Falle eines wegen Verstoßes gegen diese Vorschrift geführten…
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Keine Gruppenverfolgung von Kurden oder Aleviten in der Türkei
Weder kurdische Volkszugehörige noch Aleviten sind in der Türkei wegen ihrer Volkszugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit gruppenverfolgt, sagt das Oberverwaltungsgericht Bautzen in seinem Urteil vom 6. März 2024 (Az. 5 A 3/20.A). Es sei nicht ersichtlich, dass kurdische Volkszugehörige allein aufgrund ihrer Anwesenheit in den Kurdengebieten im Osten der Türkei oder im übrigen Staatsgebiet der Türkei beachtlich…
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Keine generellen Abschiebungsverbote für Gambia
Die humanitären Verhältnisse in Gambia rechtfertigen bei einem erwerbsfähigen, jungen und gesunden Mann regelmäßig nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK, meint der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seinem Urteil vom 24. April 2024 (Az. A 13 S 1931/23). Gambia zähle zwar zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt…