Das Verwaltungsgericht Stade geht in seinem Urteil vom 18. Dezember 2024 (Az. 2 A 1474/22) davon aus, dass Yeziden in der irakischen Region Shingal verfolgt werden und ihnen deswegen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Der IS sei nicht sicher besiegt und es bestünden in der Region auch im Übrigen keine ausreichenden Sicherheitsstrukturen, die verhindern könnten, dass Yeziden im Konflikt zwischen Kurden und Arabern zwischen die Fronten geraten könnten. Ein besonnener und vernünftiger Mensch würde als Yezide darum von einer Rückkehr in die Region Shingal absehen; eine inländische Fluchtalternative gebe es nicht, weil Yeziden im Irak ausgegrenzt würden und die humanitären Bedingungen in den Lagern für yezidische Binnenvertriebene das Existenzminimum nicht gewährleisteten.
Das Verwaltungsgericht nimmt in seinem Urteil nicht nur zur Situation von Yeziden im Irak Stellung (die in der deutschen Rechtsprechung durchaus auch ganz anders gesehen wird, siehe etwa den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg aus dem März 2025, über den im HRRF-Newsletter Nr. 190 berichtet wurde), sondern beschäftigt sich außerdem ausführlich und lesenswert mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 18. Juni 2024 (Rs. C-753/22) zur Bindungswirkung einer ausländischen Schutzgewährung innerhalb der Europäischen Union (siehe ausführlich HRRF-Newsletter Nr. 150), die in der deutschen Rechtsprechung bislang eher beiläufig thematisiert wurden, etwa zur Frage, unter welchen Umständen die Beiziehung ausländischer Verfahrensakten ausnahmsweise unterbleiben darf, und dazu, wie Widersprüche zwischen divergierenden nationalen Asylentscheidungen aufgelöst werden müssen, nämlich im Sinne einer „qualifizierten Auseinandersetzung“. Das Verwaltungsgericht kommt zu der klaren Aussage (S. 7 des Urteils), dass immer dann, wenn zwei EU-Mitgliedsstaaten bei der Prüfung der Asylanträge ein und derselben Person zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, eine dieser Entscheidungen notwendigerweise rechtswidrig (geworden) sein muss. Das ist in dieser Generalität wohl so nicht richtig, wie das Verwaltungsgericht indirekt auch selbst einräumt (S. 8 des Urteils).
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