Keine Abschiebungsandrohung bei laufendem Asylverfahren eines Kindes

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hält in seinem Beschluss vom 27. Juni 2024 (Az. 4 LA 21/24) die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgeworfene Frage, ob der Abschiebung eines Ausländers, dessen Schutzbegehren negativ beschieden ist, auch dann im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG das Kindeswohl oder familiäre Bindungen entgegenstehen können, wenn der weitere Aufenthalt des betreffenden Kindes bzw. des betreffenden Familienmitglieds im Bundesgebiet nur gemäß § 55 AsylG zur Durchführung seines Asylverfahrens gestattet ist, für nicht grundsätzlich bedeutsam und hat die vom Bundesamt beantragte Zulassung der Berufung darum abgelehnt. Die Frage sei in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits geklärt, der in seinem Urteil vom 15. Februar 2023 (Rs. C-484/22) allgemein darauf abgestellt habe, ob es zwischen einem Kind und seinen Eltern bzw. innerhalb einer schutzwürdigen familiären Gemeinschaft aus rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit zu einer Trennung kommen würde. Diese Situation könne aber auch eintreten, wenn der Aufenthalt des betreffenden Kindes bzw. des betreffenden Familienmitglieds in Deutschland nur gemäß § 55 AsylG zur Durchführung seines Asylverfahrens gestattet sei. Warum, wie das Bundesamt ausgeführt habe, nur ein dauerhafter rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik berücksichtigungsfähig sein solle, erschließe sich demgegenüber nicht.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871