Afghanistan-Aufnahmezusagen: Spitze des Eisbergs

In der vergangenen Woche wurde an dieser Stelle im Kontext der Afghanistan-Aufnahmezusagen über einen Beschluss der 37. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin berichtet. Die 37. Kammer hält es für rechtlich zulässig und zumutbar, dass afghanische Staatsangehörige, denen die Bundesrepublik die Aufnahme in Deutschland zugesagt hat, ihre Klage auf Visumerteilung von Pakistan aus verfolgen, weil die Gefahr einer Abschiebung der Betroffenen von Pakistan nach Afghanistan während des laufenden Klageverfahrens jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die beiden derzeit öffentlich bekannten aktuellen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin zu Afghanistan-Aufnahmezusagen (nämlich der ablehnende Beschluss der 37. Kammer sowie der stattgebende Beschluss der 8. Kammer von Anfang Juli) sind aber sozusagen nur die Spitze des Eisbergs: Offenbar liegen inzwischen mindestens zwölf stattgebende Beschlüsse von mindestens fünf verschiedenen Kammern des Gerichts vor, während die 37. Kammer in ihrer Ablehnung allein geblieben ist. Das nächste Wort wird der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg haben.

Ein weiterer Aspekt der Afghanistan-Aufnahmezusagen, der hier in der letzten Woche nicht thematisiert wurde, weil er in den vom Verwaltungsgericht Berlin entschiedenen Eilverfahren nicht relevant war, ist der Unterschied zwischen nach § 22 S. 2 AufenthG und nach § 23 Abs. 2 AufenthG erteilten Aufnahmezusagen: Aufnahmezusagen auf Grundlage von § 23 Abs. 2 AufenthG sind gruppenbezogen (siehe den Wortlaut der Norm: „[..] Ausländer[n] aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmte[n] Ausländergruppen [..]“) und sollen darum eine „mittelbare Außenwirkung“ entfalten und einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen von der Aufnahmezusage erfassten Ausländern vermitteln. Es ist demgegenüber unklar, ob dies bei den gemäß § 22 S. 2 AufenthG erteilten Aufnahmezusagen ebenso der Fall ist, weil diese Art von Aufnahmezusagen nicht gruppenbezogen ist, sondern die Aufnahme jeweils nur im Einzelfall zugesagt wird. Auch hier wird zum Teil eine Selbstbindung der Verwaltung angenommen, die sich zu einem Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage verdichten kann, was das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg aber aktuell ablehnt, weil die Erklärung über eine solche Aufnahme bloßen „innerdienstlichen Charakter“ habe und einer gerichtlichen Überprüfung entzogen sei.

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ISSN 2943-2871