Keine Abschiebungshaft ohne Benachrichtigung von Angehörigen oder einer Vertrauensperson

Es verstößt gegen das aus Art. 104 Abs. 4 GG folgende Grundrecht, wenn Haftgerichte Angehörige oder eine Person des Vertrauens von in Abschiebungshaft genommenen Ausländern nicht über die Haftanordnung benachrichtigen, sagt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. April 2025 (Az. 2 BvR 845/22). Zweck des Art. 104 Abs. 4 GG sei es, einer in Haft genommenen Person den Kontakt nach außen zu sichern und damit ein spurloses Verschwinden von Personen zu verhindern. Das Amtsgericht habe gegen die ihm obliegenden Pflichten bereits dadurch verstoßen, dass es den Beschwerdeführer lediglich auf die „Möglichkeit“ hingewiesen habe, einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von seiner Inhaftierung zu benachrichtigen, und nicht dokumentiert habe, wie der Beschwerdeführer reagiert habe und warum das Gericht schlussendlich von einer Benachrichtigung abgesehen habe. Das ebenfalls involvierte Landgericht habe das Grundrecht des Beschwerdeführers ebenfalls verletzt, weil es seine eigene nachträgliche Einschätzung an die Stelle der Entscheidung des Amtsgerichts gesetzt und angenommen habe, dass der Beschwerdeführer auf die Wahrnehmung seines Rechts verzichtet habe.

Neu ist diese Rechtsprechung nicht, bereits im Dezember 2023 (siehe ausführlich HRRF-Newsletter Nr. 130) hatte das Bundesverfassungsgericht in drei Verfahren Grundrechtsverletzungen bei unterlassenen Benachrichtigungen festgestellt und den Haftgerichten detaillierte Verhaltenshinweise mit auf den Weg gegeben. Das Gericht erklärt noch einmal die Bedeutung des Grundrechts und präzisiert die den Haftgerichten obliegenden Aufgaben.

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ISSN 2943-2871