Keine automatische Offensichtlichkeit bei Ablehnung eines Folgeantrags

Entscheidungen nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG, wonach ein zulässiger und unbegründeter Folgeantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, sind nur gerechtfertigt, wenn der Antrag tatsächlich und eindeutig aussichtslos ist, sagt das Verwaltungsgericht Schwerin in seinem Beschluss vom 19. Juli 2024 (Az. 15 B 1344/24 SN). Das Spannungsverhältnis zwischen der nach dem Wortlaut der Norm auf den ersten Blick zwingenden Entscheidung bei einfach unbegründeten Folgeanträgen und dem verfassungsrechtlich weiterhin geforderten Eindeutigkeitsurteil sei dahingehend aufzulösen, dass die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auf einer die Rechtsfolge rechtfertigenden Sachverhaltsaufklärung und Begründung beruhen müsse. Praktische Schwierigkeiten beim Erreichen eines solchen Begründungserfolgs müsse zunächst das Bundesamt auflösen, wofür eine reduzierte Anwendung von § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG oder auch von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Betracht komme.

Außerdem erscheine es zweifelhaft, jeden weiteren Asylantrag als Folgeantrag zu behandeln, gleich ob er nach einem kleinen oder sehr großen Zeitablauf erfolge und ob zwischenzeitlich eine Rückkehr ins Heimatland erfolgt sei oder nicht. Damit würden zum einen völlig unterschiedliche Fälle gleich behandelt werden, und zwar wegen der rechtsschutzverkürzenden Rechtsfolge des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG in gegenüber der Rechtschutzgarantie durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bedenklicher Weise. Wegen der strikten Rechtsfolge, die § 30 Abs. 1 AsylG nunmehr dem Wortlaut nach und wenigstens in der Regel habe, erscheine es aus systematischen Gründen geboten, atypische Fälle von erneuten Asylantragstellungen nicht als „nach“ einem früheren Asylantrag im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG gestellt aufzufassen, sondern als „normale“ Asylanträge mit normalem Rechtsschutz über ein Klageverfahren zu behandeln.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Mehrere Monate

    Müssen Ausländerbehörden bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse prüfen, obwohl sie dafür nach deutschem Recht gar nicht zuständig sind, oder bleibt es bei der Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge? Ein EuGH-Urteil aus dem vergangenen Herbst sorgt jedenfalls bei mir für Verwirrung, und eine…

    Weiterlesen..

  • Refoulement by Proxy

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weiß auch nicht mehr weiter und erklärt sich für unzuständig, wenn es um die Externalisierung von Pushbacks im Mittelmeer geht. Dafür scheint aber in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Schadensersatzklage gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex das letzte Wort noch nicht gesprochen zu…

    Weiterlesen..

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871