Rechtswidrige Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde Essen

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hält in seinem in einem Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 28. Mai 2024 (Az. 8 L 413/23) die aus § 15 Abs. 9 der nordrhein-westfälischen Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländerwesen (ZustAVO NRW) folgende Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde Essen für rechtswidrig, so dass alle auf dieser Zuständigkeit beruhenden Aktivitäten dieser Behörde ebenfalls rechtswidrig sein dürften. Gemäß § 15 Abs. 9 ZustAVO NRW ist die Zentrale Ausländerbehörde Essen für alle gegenüber einem Ausländer ergriffenen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen zuständig, wenn die oberste Ausländerbehörde (nämlich das für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten zuständige nordrhein-westfälische Flüchtlingsministerium, d.h. das MKJFGFI) im Einzelfall erklärt, dass die Zentrale Ausländerbehörde Essen die Zuständigkeit übernimmt. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für eine solche einzelfallbezogene Übertragungskompetenz, so das Verwaltungsgericht, so dass die Vorschrift bereits gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstoße, weil sie sich nicht innerhalb der vorgegebenen Grenzen der ihr zugrundeliegenden Verordnungsermächtigung halte. Darüber hinaus genüge die Vorschrift dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot nicht, weil sie eine Mehrzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwende und es sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, objektiver Kriterien und damit einer zuverlässigen Grundlage für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe nicht feststellen lasse, wann die oberste Ausländerbehörde die Zuständigkeit übertrage. Es gebe außerdem auch keine regelmäßige Verwaltungspraxis, durch die diese weite Übertragungskompetenz konkretisiert werde; unter diesen Umständen könne sich der Verordnungsgeber der ihm übertragenen Aufgabe der Zuständigkeitsbestimmung nach § 71 AufenthG nicht durch die Verwendung einer Mehrzahl unbestimmter Rechtsbegriffe entledigen und der Exekutive in Form einer Generalermächtigung überlassen. Vor dem Hintergrund der Pauschalität und Begründungslosigkeit im Einzelfall erfolgender Zuständigkeitserklärungen durch die oberste Ausländerbehörde liege zudem ein Verstoß gegen das der Verfassung immanente und dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entspringende Willkürverbot vor, weil sich nachvollziehbare Kriterien für die Zuständigkeitsübertragung, die eine willkürliche Entscheidung ausschließen könnten, nicht feststellen ließen.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Mehrere Monate

    Müssen Ausländerbehörden bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse prüfen, obwohl sie dafür nach deutschem Recht gar nicht zuständig sind, oder bleibt es bei der Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge? Ein EuGH-Urteil aus dem vergangenen Herbst sorgt jedenfalls bei mir für Verwirrung, und eine…

    Weiterlesen..

  • Refoulement by Proxy

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weiß auch nicht mehr weiter und erklärt sich für unzuständig, wenn es um die Externalisierung von Pushbacks im Mittelmeer geht. Dafür scheint aber in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Schadensersatzklage gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex das letzte Wort noch nicht gesprochen zu…

    Weiterlesen..

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871