Italienische Dublin-Rundschreiben vor dem EuGH

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 14. Februar 2024 (Az. 11 A 1255/22.A) den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage angerufen, ob die seit Dezember 2022 bestehende Weigerung Italiens, Schutzsuchende im Wege von Dublin-Überstellungen (wieder) aufzunehmen, zur Annahme einer systemischen Schwachstelle im italienischen Asylsystem führen muss. Falls diese Frage zu verneinen sein sollte, möchte das OVG außerdem wissen, wie der Zustand des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien beurteilt werden können, wenn mangels tatsächlich durchgeführter Dublin-Überstellungen letztlich nur eine hypothetische Beurteilung möglich ist.

Die Vorlage setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter die inzwischen gefühlt unendlich ausdifferenzierte Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte zum Umgang mit den italienischen Dublin-Rundschreiben von Dezember 2022, in denen Italien die Mitwirkungen an Dublin-Überstellungen ausgesetzt hatte. Zuletzt hatte das Bundesverwaltungsgericht u.a. mit Beschluss vom 7. November 2023 (Az. 1 B 34.23) die bisherige Rechtsprechung des OVG Münster kritisiert und aufgehoben, weil es aus der italienischen Weigerung ohne Weiteres eine systemische Schwachstelle ableiten wolle. Das OVG Münster, so das Bundesverwaltungsgericht, habe zwar ausführlich die fehlende Aufnahmebereitschaft Italiens dargelegt, nicht aber eine daraus folgende Gefahr der extremen materiellen Not für den Einzelnen, vielmehr blieben die Lebensumstände in Italien im Ergebnis offen (siehe ausführlich HRRF-Newsletter Nr. 125). Danach hatte etwa bereits das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Beschluss vom 29. Dezember 2023 (Az. 1a L 1896/23.A) auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen, die der Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts in Hinblick auf die Beurteilung rein hypothetischer Dublin-Überstellungen haben muss (siehe ausführlich HRRF-Newsletter Nr. 127 sowie weiter unten in diesem Newsletter).

Das OVG Münster hat beim EuGH die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens beantragt, weil mit Blick auf die große Zahl der in Deutschland aufhältigen Flüchtlinge, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt hätten, für die aber zunächst Italien zuständig sei, eine rasche Klärung erforderlich sei. Außerdem erwähnt das OVG in seinem Beschluss, dass es auch in einem Parallelverfahren (Az. 11 A 1080/22.A) den EuGH angerufen hat.

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ISSN 2943-2871