Bei unbegleiteten Minderjährigen regelmäßig keine Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet

Erfrischend deutlich äußert sich das Verwaltungsgericht Ansbach in seinem Beschluss vom 2. Januar 2024 (Az. AN 10 S 23.31732) zu den besonderen Verfahrensgarantien für unbegleitete minderjährige Schutzsuchende. Eine Ablehnung eines von einem unbegleiteten Minderjährigen gestellten Asylantrags als offensichtlich unbegründet sei gegen den Wortlaut von § 30 AsylG in der Regel nicht zulässig, weil gemäß Art. 25 Abs. 6 EU-Asylverfahrensrichtlinie das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen sei und nach Art. 25 Abs. 6 lit. a) EU-Asylverfahrensrichtlinie eine Anwendung des beschleunigten Verfahrens gemäß Art. 31 Abs. 8 EU-Asylverfahrensrichtlinie, und damit eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet, nur in Betracht komme, wenn der Schutzsuchende aus einem sicheren Herkunftsstaat eingereist sei, einen Folgeantrag gestellt habe oder er eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstelle. Der für die Beurteilung der Minderjährigkeit maßgebliche Zeitpunkt sei weder der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch der Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag, und auch nicht der Zeitpunkt der Anhörung, sondern der Zeitpunkt der Einreise des unbegleiteten Minderjährigen in die Europäische Union. Dies habe nichts mit der von „tiefem Misstrauen in staatliches Handeln“ geprägten Argumentation des Betroffenen zu tun, dass die Behörden es sonst in der Hand hätten, eine Entscheidung zu verzögern, sondern mit der Formulierung in Art. 2 lit. l der EU-Qualifikationsrichtlinie, die auf den Zeitpunkt der Einreise abstelle.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Refoulement by Proxy

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weiß auch nicht mehr weiter und erklärt sich für unzuständig, wenn es um die Externalisierung von Pushbacks im Mittelmeer geht. Dafür scheint aber in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Schadensersatzklage gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex das letzte Wort noch nicht gesprochen zu…

    Weiterlesen..

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

  • Praktische Wirksamkeit

    So richtig viel war nicht los in der flüchtlingsrechtlichen Rechtsprechung in dieser Woche (bitte senden Sie gerne aktuelle Entscheidungen ein!), ein wenig dann aber doch. Es geht unter anderem um die nunmehr vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Frage, ob ein aus dem EU-Primärrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht von der…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871