Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist offenbar nicht besonders amüsiert über die aktuelle Dublin-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (siehe unten), in der der Umgang der nordrhein-westfälischen Rechtsprechung mit Dublin-Überstellungen nach Italien in Frage gestellt wird. In seinem Beschluss vom 29. Dezember 2023 (Az. 1a L 1896/23.A) geht das Verwaltungsgericht auf einige der (im Wesentlichen gleichlautenden) Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts ein und liefert Argumente, warum die vom Bundesverwaltungsgericht angemahnte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Verhältnissen im Fall einer unterstellten Rücküberstellung nach Italien im Ergebnis zu keiner Änderung der Rechtsprechung führen würde.
Italien habe seine Entscheidung, keine Dublin-Überstellungen mehr aufzunehmen, ausschließlich mit fehlenden Kapazitäten in seinem Asylsystem begründet, was nur als Versuch gewertet werden könne, Verstöße gegen die sich aus der Dublin-III-Verordnung ergebenden Verpflichtungen und damit konkret eine aus italienischer Sicht offenbar beachtliche Gefahr der unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung zu vermeiden. Die eigenen Angaben Italiens zur Unterbringungssituation müssten insofern auch jedenfalls als gewichtige Erkenntnisquelle den Ausgangspunkt für die Beurteilung der tatsächlichen Umstände bilden. Dass demgegenüber die Aufnahmekapazitäten derzeit wieder hinreichend wären, um davon ausgehen zu können, den Betroffenen stehe im Falle der Rücküberstellung tatsächlich eine Unterkunft zur Verfügung, ergebe sich auch aus den wenigen im Übrigen zugänglichen Informationen gerade nicht. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass bei der hypothetischen Betrachtung nicht nur die hohe Zahl der in Italien ankommenden Flüchtlinge, sondern zusätzlich auch eine Rücküberstellung der im vergangen Jahr nicht übernommenen Asylantragsteller in Blick genommen werden müsste.
Sofern nicht die bereits fehlende Unterbringung an sich die Annahme einer Art. 4 GRCh widersprechenden Behandlung zu tragen vermöge, sei in Ansehung der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Italien überdies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es Betroffenen auch nicht anderweitig gelingen werde, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Die humanitären Bedingungen in Italien sowie die besonderen Beeinträchtigungen der Betroffenen, insbesondere ihre sprachlichen Probleme, trügen nicht die Annahme, dass es ihnen gelingen werde, eine legale Arbeit zu finden. Auch wenn sie auf eine Tätigkeit in der „Schattenwirtschaft“ verwiesen werden würden, was das Gericht „aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung“ ablehne, bilde dies in Ansehung der in diesem Bereich anzutreffenden Bedingungen keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass diese Tätigkeit eine Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse gewährleisten könne.