Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist schon seit einiger Zeit für Entscheidungen bekannt, die sich kritisch mit der elektronischen Aktenführung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auseinandersetzen (siehe Urteile vom 7. April 2017, Az. 6 K 280/17.WI.A und 6 K 429/17.WI.A, sowie Urteil vom 9. August 2017, Az. 6 K 808/17.WI.A) und die nicht unwidersprochen geblieben sind (etwa VG Stade, Urteil vom 5. November 2021, Az. 6 A 1264/17). Bereits im September 2021 hat das VG Wiesbaden zudem ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH initiiert, in dem es um die Frage der Vereinbarkeit der elektronischen Aktenführung in Asylverfahren in Deutschland mit europäischem Recht geht (Rs. C-564/21). Nun hat das VG mit Beschluss vom 27. Januar 2022 ein weiteres Vorabentscheidungsverfahren auf den Weg gebracht, in dem argumentiert wird, dass der Umgang mit personenbezogenen Daten in Asylverfahren in Deutschland gegen die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoße und damit rechtswidrig sei, weil kein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten, keine Regelung zur elektronischen Aktenübermittlung und keine Vereinbarung der gemeinsam für die Datenverarbeitung verantwortlichen Stellen existierten. Daraus ergebe sich die Frage, so das VG, ob betroffene Asylsuchende die in der DSGVO an sich vorgesehenen Rechte auf Löschung ihrer Daten und auf Beschränkung der Verarbeitung dieser Daten in asylgerichtlichen Verfahren geltend machen könnten, und ob sonst Verwertungsverbote bestünden.
Asylanträge von Personen, denen bereits in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt wurde, dürfen derzeit nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden, so der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seinem Urteil vom 27. Januar 2022 (Az. A 4 S 2443/21). Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls bestehe nach aktuellen Erkenntnissen die ernsthafte Gefahr, dass solchen Personen wegen des realen Risikos von Obdachlosigkeit eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK drohe. Der VGH Mannheim schließt sich in diesem ausführlich begründeten Urteil der Rechtsprechung diverser anderer Rechtsmittelgerichte (OVG Bremen, OVG Lüneburg, OVG Koblenz, OVG Münster) an.
In seinem Urteil vom 21. Januar 2022 (Az. 5 A 1402/18.A) geht das Oberverwaltungsgericht Bautzen davon aus, dass die drohende Einberufung zum Wehrdienst in Syrien nicht zur Anerkennung als Flüchtling führe. Gegenüber der militärischen Lage, die der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 2020 (Az. C-238/19) in den Blick genommen habe, habe sich die Lage in Syrien zwischenzeitlich erheblich verändert, daher sei es unwahrscheinlich, dass die Ableistung des Wehrdienstes in Syrien den Kläger dazu „veranlassen würde“, Verbrechen im Sinne von § 3 Abs. 2 AsylG zu begehen. Wehrdienstentzieher seien im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien auch nicht einer Verfolgungsqualität erreichenden diskriminierenden Behandlung durch das syrische Regime oder einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung wegen einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung oder eines anderen Verfolgungsgrundes ausgesetzt, außerdem stelle die Gruppe derjenigen, die sich dem Wehr- oder Militärdienst in Syrien entzogen hätten, keine soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar.
Die Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 73b Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG setzt eine gegenwärtige, konkrete und schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland voraus, die im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu ermitteln sei, so der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seinem Beschluss vom 21. Januar 2022 (Az. A 4 S 108/22). Dies ergebe sich aus den Auslegungsvorgaben des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 17 Abs. 1 lit. b der EU-Qualifikationsrichtlinie (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG), hinter denen die Anforderungen bei Art. 17 Abs. 1 lit. d EU-Qualifikationsrichtlinie (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG) nicht zurückbleiben könnten. Somit sei eine ähnliche Gefahrenprognose anzustellen wie etwa im Rahmen einer Ausweisung, die sich deshalb auch nicht automatisch nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder dem Ende des Strafvollzugs erübrige. Dementsprechend könne das Vorliegen etwa nur einer „abstrakten“ oder „generellen“ Gefahr für einen Ausschluss des subsidiären Schutzes nicht genügen.
Nach einem Beschluss des Kammergerichts vom 28. Januar 2022 (Az. 1 W 18/21, 1 W 19/21) sind Resettlement-Flüchtlinge, denen auf Grund der Anordnung des Bundesministeriums des Innern gemäß § 23 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz eine Aufnahmezusage erteilt worden ist, auch ohne Asylverfahren in Deutschland als Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention zu betrachten. Ihnen könne daher nicht zugemutet werden, sich einen Reisepass ihres Heimatstaates zu beschaffen, für die Identitätsfeststellung im Personenstandsverfahren könne in diesem Fall ein in Deutschland ausgestellter Reiseausweis für Ausländer in Verbindung mit anderen ermittelten Indizien ausreichend sein. Da im entschiedenen Verfahren keine Zweifel an der Identität der Antragsteller bestanden, verpflichtete das Kammergericht das zuständige Standesamt, den Vermerk „Identität nicht nachgewiesen“ aus dem Geburtenregister zu entfernen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 10. Februar 2022 (Az. 32084/19, Al Alo gg. Slowakei) die Slowakei wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) verurteilt, weil die Belastungszeugen in einem Strafverfahren wegen Menschenschmuggels bereits vor der Hauptverhandlung abgeschoben wurden und der Angeklagte keine Gelegenheit erhalten habe, ihre Aussagen zu hinterfragen. Es sei zwar im Prinzip nicht erforderlich, so der EGMR, dass die Zeugen bis zum Abschluss des Strafverfahrens in der Slowakei verblieben, jedoch seien dem slowakischen Gericht ihre ausländischen Aufenthaltsorte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bekannt gewesen, so dass es nicht gerechtfertigt gewesen sei, sie nicht wenigstens auf anderem Wege an der Hauptverhandlung teilnehmen zu lassen, etwa im Rahmen des Europäischen Übereinkommens über die gegenseitige Unterstützung in Strafsachen.
In seinem Urteil vom 3. Februar 2022 (Az. 20611/17, Komissarov gg. Tschechische Republik) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung von Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) festgestellt, nachdem der Beschwerdeführer entgegen den Vorgaben des nationalen Rechts für einen langen Zeitraum während seines Asylverfahrens inhaftiert war, weil parallel ein Auslieferungsverfahren gegen ihn betrieben wurde. Die nationalen Behörden und Gerichte hätten die Verzögerung des Asylverfahrens und die daraus resultierende überlange Dauer der Inhaftierung ignoriert und damit unverhältnismäßig gehandelt.
In seinem Beschluss vom 4. Februar 2022 (Az. 10 ME 8/22) hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden, dass es sich um eine Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz im Sinne des § 80 AsylG auch dann handele, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Anordnung einer Abschiebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG über das Vorliegen inländischer Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG entscheide und diesbezüglich Anordnungen nach § 82 Abs. 4 AufenthG treffe. Der in diesem Verfahren betroffene Ausländer hatte sich in einem Eilverfahren erfolglos gegen die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung in Form der Durchführung eines Corona-Tests gewehrt und gegen die Beschlüsse des zuständigen Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt, die das OVG entsprechend seiner Argumentation für unzulässig hielt.
Für Durchsuchungsanordnungen zur Durchführung einer Abschiebung nach § 58 Abs. 6 bis 9 AufenthG sollen in Niedersachsen nach der Ansicht des Oberlandesgerichts Oldenburg die Verwaltungsgerichte zuständig sein (Beschluss vom 4. November 2021 (Az. 12 W 124/21)). Da das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das anders sieht und die ordentlichen Gerichte für zuständig hält (Beschluss vom 10. März 2021 (Az. 13 OB 102/21)), hat das OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, die auch eingelegt wurde. Hintergrund dieses Kompetenzkonflikts ist die Frage, ob § 58 Abs. 10 AufenthG landesrechtliche Rechtswegregelungen zulässt (so das OVG), oder ob die Vorschrift das gerade nicht erlaubt (so das OLG).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in vier weiteren Verfahren (Beschlüsse vom 7. Dezember 2021, Az. 1 B 73.21, 1 B 76.21 und 1 B 79.21 und vom 21. Dezember 2021, Az. 1 B 68.21) die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, welche Anforderungen an die Annahme einer „starken Vermutung“ für eine Verknüpfung zwischen der Verweigerung des Militärdienstes mit einem der in Art. 10 der Qualifikations-Richtlinie 2011/95/EU genannten Verfolgungsgründe, sowie deren Widerlegung, zu stellen sind. In den beiden Verfahren, in denen im Juli 2021 das OVG Münster entschieden hatte, dass zwei aus Italien nach Deutschland weitergereiste Schutzberechtigte oder Asylsuchende ohne Aussicht auf Unterbringung und Arbeit in Italien nicht rücküberstellt werden dürften, hat nach einer Meldung von Pro Asyl vom 3. Februar 2022 das Bundesverwaltungsgericht die Zulassung der Revision nun abgelehnt.