In seinem Beschluss vom 29. November 2024 (Rs. C-758/24 und C-759/24) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, zwei von einem italienischem Gericht initiierte (und bereits verbundene) Vorabentscheidungsverfahren (siehe ausführlich HRRF-Newsletter Nr. 168 und Nr. 171) im beschleunigten Verfahren zu behandeln. Inhaltlich geht es in dem verbundenen Verfahren um die europarechtlichen Anforderungen an die nationale Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten und dabei unter anderem um die Fragen, ob die EU-Mitgliedstaaten sichere Herkunftsstaaten bestimmen dürfen, ohne die zur Begründung herangezogenen Quellen zugänglich und überprüfbar zu machen, ob sie sichere Herkunftsstaaten unmittelbar durch Gesetz bestimmen dürfen (wie das etwa in Deutschland der Fall ist, siehe § 29a AsylG sowie Anlage II zum AsylG) und ob die EU-Asylverfahrensrichtlinie der Bestimmung eines Drittstaats als sicherer Herkunftsstaat entgegensteht, wenn es in diesem Staat Personengruppen gibt, für die er nicht sicher ist, d.h. die in Anhang I der Richtlinie genannten materiellen Voraussetzungen für eine solche Bestimmung nicht erfüllt.
Eine der ihm gestellten Fragen, nämlich die Frage, ob der nationale Gesetzgeber selbst sichere Herkunftsstaaten bestimmen darf (oder ob dies offenbar durch Verwaltungsbehörden geschehen müsste), hält der Gerichtshof für grundlegend, weil sie das Verhältnis zwischen dem Unionsrecht und der in der verfassungsrechtlichen Ordnung eines Mitgliedstaats vorgesehenen Gewaltenteilung betreffe. Eine solche grundlegende Frage des innerstaatlichen Verfassungsrechts oder des Unionsrechts könne es wie hier in Anbetracht der besonderen Umstände einer solchen Rechtssache erforderlich machen, sie im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu behandeln. Der Hinweis des vorlegenden Gerichts auf das Bestehen einer „schweren institutionellen Krise, die in Italien durch erste Entscheidungen der Gerichte verursacht wurde, Haftanordnungen in Grenzverfahren nicht zu bestätigen“, mag die Entscheidung des Gerichtshofs beeinflusst haben.
In einem weiteren Beschluss vom 29. November 2024 (verbundene Rs. C-388/24 und C-389/24) hat der Gerichtshof dagegen die Durchführung des beschleunigten Verfahrens abgelehnt. In diesem Verfahren, denen ebenfalls Vorabentscheidungsersuchen italienischer Gerichte zugrunde liegen, geht es um sehr ähnliche Fragen zu sicheren Herkunftsstaaten, allerdings nicht auch um die Frage der Zulässigkeit einer Bestimmung von sicheren Herkunftsstaaten durch den nationalen Gesetzgeber.
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