Ein Verwaltungsgericht darf ein laufendes Asylklageverfahren nach der Abschiebung des Klägers nicht einfach wegen Nichtbetreiben des Verfahrens gemäß § 81 AsylG einstellen, nur weil der Prozessbevollmächtigte keine „aussagekräftige Bescheinigung“ über eine ladungsfähige Anschrift des Klägers im Zielstaat der Abschiebung vorlegen kann, sagt der Verwaltungsgerichtshof München in seinem Beschluss vom 15. Februar 2024 (Az. 24 ZB 23.30851), in dem er die Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg zugelassen hat.
Eine Abschiebung des Klägers und die damit vielfach eintretende Unkenntnis über seine nunmehrige Anschrift stellten für sich genommen regelmäßig nur dann einen Anhaltspunkt für ein Desinteresse des Klägers an der weiteren Rechtsverfolgung dar, wenn zuvor formlose Erkundigungen des Gerichts zum Aufenthaltsort des Klägers erfolglos geblieben seien. Bei einem anwaltlich vertretenen Kläger sei es im Regelfall geboten, zunächst bei seinem Bevollmächtigten den Fortbestand des Rechtsschutzinteresses zu erfragen und gegebenenfalls zur Mitteilung einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift aufzufordern und hierzu eine angemessene Frist zu setzen. Dabei dürfe ein Gericht nur zu solchen Mitwirkungshandlungen auffordern, die es ausreichend bestimmt formuliert habe und die der Kläger bei typisierter Betrachtung innerhalb der Monatsfrist des § 81 AsylG erfüllen könne. Erkenne das Gericht vor Ablauf der Monatsfrist, dass es dem Kläger überspannte Mitwirkungshandlungen auferlegt habe, müsse es die Betreibensaufforderung aufheben.
In dem entschiedenen Verfahren war der Kläger nach Griechenland abgeschoben worden, der Verwaltungsgerichtshof störte sich schon an dem Verlangen des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger eine „aussagekräftige Bescheinigung“ über seine Anschrift beibringe sollte. Es sei unklar, ob eine formlose Bestätigung eines privaten Wohnungsgebers oder eines Einrichtungsbetreibers ausreichen solle, ob eine amtliche Bestätigung einer Ausländer- oder Asylbehörde genüge oder ob es einer Bescheinigung der örtlich zuständigen Meldebehörde bedürfe. Ungeachtet der fehlenden Bestimmtheit bleibe im Übrigen unklar, ob die erwartete Bescheinigung nach den örtlich maßgeblichen Vorschriften überhaupt ausgestellt werden müsse und ob insoweit nicht etwas Unmögliches verlangt werde. Ferner lasse das Verwaltungsgericht außer Acht, dass ein Ausländer, der in einen anderen EU-Mitgliedstaat abgeschoben werde, manchmal mit einem Risiko einer zumindest vorübergehenden Obdachlosigkeit konfrontiert sei. In einem solchen Fall sei es wegen Art. 19 Abs. 4 GG regelhaft nicht zulässig, eine Klage wegen Fehlens einer ladungsfähigen Anschrift als unzulässig abzuweisen. Außerdem könne von einem abgeschobenen Kläger nicht erwartet werden, innerhalb nur eines Monats zunächst von seinem Rechtsanwalt über die Aufforderung informiert zu werden, sodann vor Ort eine Bescheinigung zu beschaffen, obwohl er mit den Gepflogenheiten des Mitgliedsstaats meist nicht vertraut sein werde, und sie anschließend an seinen Rechtsanwalt zu übermitteln, der sie wiederum dem Gericht rechtzeitig zuleiten müsse.