Abschiebungshaft
-
Kein Ausreisegewahrsam nach unverschuldeter Nichtausreise
Ein vollziehbar zur Ausreise verpflichteter Ausländer ist während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe wegen einer Straftat, die er ohne Kenntnis davon begangen hat, wann die ihm gesetzte Ausreisepflicht beginnt und endet, im Sinne des § 62b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert, weswegen auf Grundlage dieser Norm kein Ausreisegewahrsam gegen ihn angeordnet…
-
Keine Fluchtgefahr bei Abschiebungsanordnung
Das Landgericht Paderborn weist in seinem Beschluss vom 22. August 2024 (Az. 5 T 155/24) darauf hin, dass bei der Anordnung von Überstellungshaft die Annahme einer Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG schon dem Wortlaut der Norm nach zwingend voraussetzt, dass dem Ausländer eine Ausreisefrist eingeräumt wurde. Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge…
-
Bei Zurückweisungshaft kein anwaltlicher Vertreter
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2024 (Az. XIII ZB 76/24) klargestellt, dass § 62d AufenthG auf die Zurückweisungshaft nicht anwendbar und somit kein anwaltlicher Vertreter zu bestellen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 62d AufenthG und nach dessen systematischer Stellung im Aufenthaltsgesetz finde die Vorschrift keine Anwendung auf die Zurückweisungshaft, die gemäß…
-
Negativer Kompetenzkonflikt unter baden-württembergischen Haftgerichten
Mit Beschluss vom 12. September 2024 (Az. 19 UH 2/24) musste das Oberlandesgericht Karlsruhe einen negativen Kompetenzkonflikt der Amtsgerichte Offenburg und Karlsruhe auflösen, die sich in einem Haftverfahren beide für unzuständig hielten. Das zunächst zuständige Amtsgericht Offenburg hatte das Verfahren gemäß § 106 Absatz 2 AufenthG an das Amtsgericht Karlsruhe abgegeben, das die Übernahme des Verfahrens…
-
Keine Perpetuierung rechtswidriger Inhaftierung im und nach dem Asylverfahren
Eine rechtswidrige Inhaftierung während des Asylverfahrens hat keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer späteren Inhaftierung nach Abschluss des Asylverfahrens, auch wenn die betroffene Person ununterbrochen inhaftiert gewesen sein sollte, sagt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Oktober 2024 (Rs. C-387/24 PPU). Folglich sei die zuständige nationale Behörde nicht verpflichtet, diese Person allein aufgrund…
-
Vermischtes vom Bundesgerichtshof
In zwei Beschlüssen vom 17. September 2024 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es wegen des der Ausländerbehörde zustehenden „organisatorischen Spielraums“ nicht gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verstößt, wenn statt einer ursprünglich geplanten Abschiebung mit einem Linienflug letztlich eine Abschiebung mit einem Charterflug stattfindet, auch wenn sich dadurch die Dauer der Inhaftierung verlängert (Az. XIII ZB…
-
Doch gemeinsamer Vollzug von Abschiebungshaft und Sicherungsverwahrung
Das Landgericht Berlin widerspricht in seinem Beschluss vom 29. August 2024 (Az. 84 T 133/24 B) dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten, das in seinem Beschluss vom 17. Juni 2024 (Az. 383 XIV 1037/24 B) den gemeinsamen Vollzug von Abschiebungshaft und Sicherungsverwahrung für unzulässig gehalten hatte (siehe HRRF-Newsletter Nr. 152). Das Trennungsgebot sei nicht verletzt, wenn Abschiebungshäftlinge und…
-
Vermischtes vom Bundesgerichtshof
Wenn ein von Abschiebungshaft Betroffener wünscht, dass von der Haftanordnung eine bestimmte Person seines Vertrauens oder ein bestimmter Angehöriger benachrichtigt werden soll, dann erfüllt das Haftgericht die Benachrichtigungspflicht aus Art. 104 Abs. 4 GG nicht, wenn es stattdessen einen Rechtsanwalt benachrichtigt, der sich im Haftanordnungsverfahren nicht als Bevollmächtigter bestellt hat, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom…
-
Pflichtanwälte müssen nicht umsonst arbeiten
Anwältinnen und Anwälte, die in Verfahren über die Anordnung von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam gemäß § 62d AufenthG als anwaltliche Vertreter von Betroffenen bestellt werden, haben für ihre Tätigkeit einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, sagt das Amtsgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 10. Juli 2024 (Az. 527 XIV 271/24). Es sei unerheblich, dass es an einer spezialgesetzlichen…
-
Bundesgerichtshof zu Abschiebungen nach Libyen
Der Bundesgerichtshof berichtet in seinem Beschluss vom 23. Juli 2024 (Az. XIII ZB 36/24) über eine Behördeneinschätzung, dass die Durchführbarkeit von Abschiebungen nach Libyen möglicherweise schon ab Herbst 2024 keine bloße Hoffnung der zuständigen Behörde sei, sondern eine auf konkrete Tatsachen gestützte begründete Aussicht. Die Innenministerkonferenz hatte den Bund unter anderem im Juni 2024 aufgefordert,…