Sollte es jemals ein migrationsrechtliches Kneipenquiz geben, dann wäre da sicherlich die Frage dabei, die das Verwaltungsgericht Bremen in seinem Beschluss vom 9. Januar 2024 (Az. 3 V 2955/23) zu beantworten hatte: Ist es in Deutschland möglich, einen Asylantrag (wirksam) zu stellen, wenn ein zuvor gestellter Asylantrag noch nicht bestandskräftig geworden ist, also etwa noch eine Klage gegen die Ablehnung des Antrags anhängig ist? Sowohl der Wortlaut von § 71 Abs. 1 AsylG („[..] nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags [..]“) als auch die einschlägige Kommentarliteratur suggerieren, dass solche Mehrfachanträge unzulässig sind, und das meinte auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dem vom Verwaltungsgericht entschiedenen Verfahren.
Nun war der Sachverhalt allerdings etwas speziell gelagert, so dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis eben doch von der Zulässigkeit eines Mehrfachantrags ausging. In dem Verfahren war der Betroffene nach der Ablehnung seines ersten Asylantrags und während des laufenden Klageverfahrens dagegen im Rahmen einer Dublin-Überstellung nach Polen überstellt worden. Von dort aus reiste er erneut nach Deutschland und stellte einen weiteren Asylantrag. Das Bundesamt erließ einen erneuten Bescheid, in dem es auf den Erstbescheid verwies und lediglich eine neue Abschiebungsanordnung und ein neues Einreise- und Aufenthaltsverbot aussprach. Während eine förmliche Asylantragstellung aufgrund des anhängigen Klageverfahrens unzulässig sei, so das Bundesamt, bleibe es dem Antragsteller unbenommen, sein neuerliches Schutzvorbringen im Rahmen dieses Klageverfahrens vorzubringen.
Das, so das Verwaltungsgericht, gehe nicht, weil eine nachträglich eingetretene Rechtswidrigkeit einer Unzulässigkeitsentscheidung gerade nicht in einem noch anhängigen Klageverfahren gegen einen (ersten) Dublin-Bescheid geltend gemacht werden könne, weil insofern abweichend von § 77 Abs. 1 AsylG für die rechtliche Bewertung des ersten Bescheids auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Überstellung abzustellen sei. Durch das nach einer Wiedereinreise durchzuführende neue Wiederaufnahmeverfahren gemäß der Dublin-III-Verordnung werde der Prüfungsrahmen einer gegen einen ersten Dublin-Bescheid noch anhängigen Klage in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags und die Feststellung von Abschiebungsverboten in zeitlicher Hinsicht begrenzt.