Mit seinem Urteil vom 10. Dezember 2024 (Az. 2 A 863/19.A) hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen nicht nur ein fast fünf Jahre bei ihm anhängiges Berufungsverfahren abgeschlossen, sondern auch noch einer aus Tschetschenien geflohenen Frau subsidiären Schutz zugesprochen, die durch Familienangehörige wegen eines angenommenen Verstoßes gegen kulturelle, religiöse oder traditionelle Normen bedroht wurde. Der Klägerin drohe, durch einen Angehörigen ihrer Familie getötet zu werden oder zumindest anderen Gewalttaten ausgesetzt zu sein und damit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu erleiden. Es sei außerdem davon auszugehen, dass die Familie der Klägerin willens und in der Lage wäre, sie auch in anderen Landesteilen Russlands aufzuspüren und zurück nach Tschetschenien zu verbringen. Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe habe die Klägerin dagegen nicht, weil für das Bestehen einer solchen sozialen Gruppe auf das Herkunftsland insgesamt abzustellen sei und weil nicht anzunehmen sei, dass die im Nordkaukasus bzw. in Tschetschenien herrschenden sozialen, moralischen oder rechtlichen Normen in der gesamten Russischen Föderation gälten.
Mit einer weiten Interpretation der Dublin-III-VO wartet das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 10. Februar 2025 (Az. 21 L 2677/24.A) auf, wenn es annimmt, dass für die Anwendbarkeit von Art. 10 Dublin-III-VO weder erforderlich ist, dass die Betroffenen sich in verschiedenen Ländern aufhalten, noch dass sie ihre Asylanträge zeitversetzt gestellt haben müssen. Art. 10 Dublin-III-VO regelt, dass dann, wenn ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen hat, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sofern die betreffenden Personen dies wünschen. Dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, so das Verwaltungsgericht, dass der Asylantrag des Familienangehörigen schon anhängig sein müsse, bevor die Betroffenen ihren Antrag stellen. Dem Normzweck, die gemeinsame Prüfung von Asylanträgen von Angehörigen einer bestehenden und gelebten Familiengemeinschaft in einem Mitgliedstaat sicherzustellen, entspreche es, die Vorschrift auch bei gleichzeitiger Antragstellung zur Anwendung zu bringen. Gänzlich unverständlich sei die Auffassung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass Art. 10 Dublin-III-VO ausschließlich Fälle erfassen solle, in denen sich die betroffenen Personen in unterschiedlichen Ländern aufhielten. Das Gegenteil sei der Fall und die dem Einzelrichter bekannte Praxis sei vielmehr, dass Art. 10 Dublin-III-VO eine Trennung von Familiengemeinschaften bei einem Aufenthalt im selben Mitgliedstaat durch eine Überstellung einzelner Mitglieder in nach Art. 12 oder 13 Dublin-III-VO zuständige andere Mitgliedstaaten verhindern solle.
Auch das Verwaltungsgericht Regensburg geht in seinem Beschluss vom 12. Februar 2025 (Az. RO 1 S 25.30284) davon aus, dass noch laufende Asylklageverfahren von Familienangehörigen den Erlass einer Abschiebungsanordnung gegen ein weiteres, minderjähriges Familienmitglied verbieten. Die Familienangehörigen seien während ihrer Asylklageverfahren noch im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylG, wodurch es bei einer unterstellten Abschiebung des Kindes zu einer nicht zu rechtfertigenden Trennung der Familie käme, was mit dem Regelungsgedanken von § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG nicht zu vereinbaren sei. Zudem gehe der Verweis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge auf ein dem Erlass der Abschiebungsandrohung nachgelagertes Verfahren fehl, weil dies den unionsrechtlichen Anforderungen aus Art. 5 der EU-Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG nicht genüge. Die Ablehnung des Asylantrags eines Kindes als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG komme außerdem nur in Betracht, wenn der Asylantrag eindeutig aussichtslos sei, was nicht der Fall sei, wenn die Asylanträge der Familienangehörigen nur als einfach unbegründet abgelehnt worden seien. In solchen Fällen sei es nicht ausgeschlossen, dass die Verwaltungsgerichte zu einer anderen Einschätzung als das Bundesamt kämen.
Der gesetzlich in § 78 Abs. 8 S. 2 AsylG angeordnete Ausschluss der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Tatsachenrevision nach § 78 Abs. 8 AsylG verstößt nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Rechtsschutzgarantie, meint das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2024 (Az. 1 B 36.24). Dieses Verständnis ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 78 Abs. 8 Satz 2 AsylG und aus der gesetzgeberischen Zielsetzung, eine anderenfalls drohende zusätzliche Belastung des Bundesverwaltungsgerichts zu verhindern und diesem eine Konzentration auf Tatsachenfragen von fallübergreifender Bedeutung zu ermöglichen. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG stehe dem nicht entgegen, weil aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes kein Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges folge.
Es besteht ein hinreichendes Feststellungsinteresse für eine gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage auf Festellung, dass eine Abschiebungsandrohung verbraucht ist, meint das Oberverwaltungsgericht Bremen in seinem Urteil vom 4. Februar 2025 (Az. 1 LB 312/24), und zwar auch dann, wenn die für den Vollzug zuständige Ausländerbehörde nicht von der Rechtskraft einer solchen Feststellungsklage erfasst wäre. Das Feststellungsinteresse liege in diesem Falle in der jedenfalls „faktischen Verbesserung der Rechtsposition“ der Kläger. Durch die Zentralisierung zahlreicher Zuständigkeiten beim Bundesamt und die Pflicht zur gegenseitigen Information bestehe eine enge Bindung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörden und sei ein Tätigwerden der Ausländerbehörden regelmäßig von Vorentscheidungen des Bundesamtes abhängig. Dass die begehrte Feststellung faktische Vorteile mit sich bringe, ergebe sich im vorliegenden Fall auch daraus, dass sich die Ausländerbehörde nach Kenntnis des Gerichts aus anderen Verfahren an die Feststellung gebunden fühle und mit Blick auf diese Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteile.
Dem Erlöschen eines Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG bei einem länger als sechs Monate andauernden Auslandsaufenthalt kann entgegenstehen, dass ein schwerwiegender Rechts- oder Beratungsfehler der Ausländerbehörde oder einer deutschen Auslandsvertretung ursächlich für das Überschreiten der Wiedereinreisefrist bzw. das Unterlassen eines rechtzeitigen Fristverlängerungsantrags war, sagt das Oberverwaltungsgericht Bremen in seinem Beschluss vom 7. Februar 2025 (Az. 2 B 386/24). Es sei anerkannt, dass sich Behörden ausnahmsweise nicht auf die Versäumnis einer die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürften, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert hätten. Im entschiedenen Verfahren habe die Ausländerbehörde einen schwerwiegenden, schlechterdings nicht nachvollziehbaren Fehler begangen, weil sie die Antragstellerin, der ihre deutsche Aufenthaltskarte auf einer Auslandsreise abhandengekommen war, nach einem anschließend bei der deutschen Botschaft gestellten Visumantrag nicht darauf hingewiesen habe, dass sie für die Rückkehr nach Deutschland kein Visum benötige und weil sie zudem gegenüber der deutschen Botschaft ihre Zustimmung zur Erteilung eines nationalen Visums an die Antragstellerin versagt habe.
Ausländerbehörden sind bei der Planung einer Abschiebung nicht gehalten, Vergleichsangebote bezüglich der Flugkosten einzuholen, um dem für die Kosten der Abschiebung erstattungspflichtigen Ausländer stets den am Markt günstigsten Tarif zu sichern, meint der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seinem Beschluss vom 10. Februar 2025 (Az. 11 S 1442/23). Etwas anderes könne allenfalls dann anzunehmen sein, wenn der Preis für das der Ausländerbehörde konkret angebotene Flugticket aus dem Rahmen des Üblichen herausfalle und daher deutlich erkennbar überteuert sei. Der Beschluss erörtert ausführlich, unter welchen Voraussetzungen Ausländer gemäß § 66 Abs. 1, § 67 Abs. 1 AufenthG für die Kosten einer Abschiebung sowie der ihrer Vorbereitung dienenden Abschiebungshaft haften und welche Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen gegen einzelne Kostenpositionen zu stellen sind.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig berichtet in einer Pressemitteilung vom 20. Februar 2025 über seine Entscheidung vom selben Tag (Az. 4 A 114/24), in der es der Klage eines Ausländers gegen die Ablehnung seiner Einbürgerung in Deutschland stattgegeben hat. Die Ablehnung war damit begründet worden, dass der Kläger in einer mündlichen Befragung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung 23 Fragen „teilweise nicht vollständig und richtig“ beantwortet habe, etwa dazu, ob er deutsches Fernsehen sehe. Daraus wollte der beklagte Landkreis ableiten, dass der Betroffene Inhalt und Bedeutung der Erklärung, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik zu bekennen, nicht verstehe und es ihm deshalb nicht möglich sei, eine solche Erklärung wirksam abzugeben. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Betroffenen stattgegeben, weil bereits keine gesetzliche Grundlage für eine solche anlasslose Befragung zu den Inhalten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung existiere. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung und die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.