Das Sozialgericht Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 25. Februar 2025 (Az. S 12 AY 379/22 ER) in noch deutlicheren Worten als in seinem Beschluss vom 19. Februar 2025 (Az. S 12 AY 424/25 ER) eine klare Meinung zum am 1. November 2024 in Kraft getretenen und in § 1 Abs. 4 AsylbLG geregelten Leistungsausschluss für Dublin-Fälle. § 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG verstoße offenkundig gegen höherrangiges Recht und sei sowohl evident verfassungswidrig als auch evident europarechtswidrig. Alle Leistungsempfänger dürften darum darauf vertrauen, dass dieser Leistungsausschluss weder von Asylbewerberleistungsbehörden noch von Sozialgerichten angewandt werde.
In seinem Urteil vom 6. Februar 2025 (Az. 15 A 984/23) geht das Verwaltungsgericht Hannover davon aus, dass Begünstigten internationalen Schutzes, die unter psychischen Erkrankungen leiden, in Rumänien wegen verringerter eigener Ressourcen zur Bewältigung der allgemein schwierigen Lebensumstände, unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten und gesellschaftlich verbreiteter Stigmatisierung Verelendung in Form von Obdachlosigkeit droht. Anerkannte Schutzberechtigte, die nach Rumänien rückgeführt würden, hätten dort in aller Regel keinen Zugang mehr zum staatlichen Integrationsprogramm und den damit verbundenen Unterstützungsleistungen wie Aufnahme in staatliche Unterkünfte oder finanzielle Beihilfen, außerdem schienen rumänische Behörden Schwierigkeiten bei der zuverlässigen Identifizierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu haben, sodass deren Vulnerabilität keine besondere staatliche Unterstützung garantiere.
An der Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Oktober 2024 (Rs. C-608/22 u.a.) zur Verfolgung von Frauen in Afghanistan (siehe ausführlich HRRF-Newsletter Nr. 166) versucht sich das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 28. Februar 2025 (Az. 24 K 104/23 A). Das Gericht teile die Einschätzung, dass für Frauen und Mädchen in Afghanistan allgemein eine begründete Furcht vor Verfolgung angenommen werden müsse, so dass derzeit nicht erforderlich sei, bei der individuellen Prüfung des Antrags einer aus Afghanistan stammenden Frau auf internationalen Schutz andere Aspekte ihrer persönlichen Umstände als ihr Geschlecht oder ihre Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Es komme daher nicht darauf an, ob eine Schutzsuchende persönlich bereits Verfolgung erfahren habe oder ob sie in einem besonderen Maße in ihrer Lebensweise „verwestlicht“ sei.
Für die Beurteilung der Frage, ob ein iranischer Staatsangehöriger wegen einer exilpolitischen Betätigung in Deutschland bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat zu erwarten hat, sind die vom Antragsteller geltend gemachten Handlungen im Einzelfall nach ihrem Inhalt, ihrer Reichweite, ihrer aus der Sicht des iranischen Regimes möglichen Wirkung im Iran und ihrer Zurechenbarkeit zur Person des Schutzsuchenden zu beurteilen, sagt das Oberverwaltungsgericht Greifswald in seinem Urteil vom 12. Februar 2025 (Az. 4 LB 396/23 OVG). Dabei komme es maßgeblich darauf an, ob zu erwarten sei, dass der Schutzsuchende von den iranischen Machthabern als ernsthafte Bedrohung der eigenen Herrschaft angesehen werde. Dies sei bei einer nach außen erkennbaren Mitgliedschaft in der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (PDKI) anzunehmen, die von den iranischen Behörden als Gefahr für die eigene Sicherheit angesehen und als terroristische und separatistische Organisation behandelt werde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält in seinem Urteil vom 6. März 2025 (Az. 47836/21) fest, dass eine vorschnelle körperliche Untersuchung von Schutzsuchenden zur Feststellung ihres Alters gegen Art. 8 EMRK verstoßen kann. Eine körperliche Untersuchung dürfe nur angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen zur Altersfeststellung, etwa ein persönliches Gespräch, erfolglos geblieben seien. Außerdem dürfe eine körperliche Untersuchung nur auf Grundlage einer ausdrücklichen und freiwillig erteilten Einwilligung der betroffenen Person durchgeführt werden. Der Gerichtshof hat zu seinem Urteil auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Eine mit der Nachholung des Visumverfahren verbundene längere Trennung von einem knapp zehnjährigen Kind kann im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 AufenthG zumutbar sein, meint das Oberverwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 21. Februar 2025 (Az. 6 Bs 160/24). Das gelte, wenn der ausländische Elternteil seine Möglichkeit nicht wahrnehme, die prognostizierte Trennungszeit von 15 bis 18 Monaten erheblich zu reduzieren, nämlich auf etwa sechs Monate, indem er sich für einen Termin zur Antragstellung bei der zuständigen Auslandsvertretung bereits vom Bundesgebiet aus online registriere, womit er eine für diesen Fall von der Ausländerbehörde zugesicherte Duldung bis kurz vor dem Termin bei der Auslandsvertretung erreichen könnte.
Wer sich in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren auf die Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG) beruft und dafür im Herkunftsland drohende Gefahren anführt, ist unabhängig von der systematischen Einkleidung des diesbezüglichen Vortrags auf ein Asylverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verweisen, sagt das Oberverwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 12. Februar 2025 (Az. 6 Bs 5/25). Wenn die vorgetragenen Gefahren ihrer Art nach objektiv geeignet seien, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz zu begründen, müsse ein Asylverfahren durchgeführt werden und bestehe kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt. Anderes gelte nur für Umstände, die allein zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG begründeten, solange für deren Prüfung die Ausländerbehörde zuständig sei.
An einem in mehrfacher Hinsicht überspezifischen Dementi versucht sich die Bundesregierung am 11. Februar 2025 in ihrer Antwort (BT-Drs. 20/14946) auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag, in der es unter anderem um rechtswidrige Abschiebungen aus Deutschland ging. Zur ihr gestellte Frage, ob der Bundesregierung aus den Jahren 2021 bis 2024 Abschiebungen bekannt seien, die trotz eines laufenden Asyl- oder Gerichtsverfahrens oder entgegen einer anders lautenden Gerichtsentscheidung vollzogen wurden, führt sie sinngemäß aus (S. 21), dass ihr keine von der Bundespolizei vollzogenen Abschiebungen bekannt seien, in denen rechtzeitig bekannt gewesen sei, dass ein laufendes Asyl- oder Gerichtsverfahren oder eine anderslautende Gerichtsentscheidung vorlagen; im Übrigen seien ohnehin die Länder für aufenthaltsbeendende Maßnahmen zuständig. Der HRRF-Newsletter hat mehrfach über rechtswidrige Abschiebungen berichtet, zuletzt in Ausgabe Nr. 180.
Medienberichten vom 5. März 2025 zufolge (siehe etwa hier oder hier) sind bei deutschen Verwaltungsgerichten 2024 deutlich mehr asylgerichtliche Verfahren als noch im Vorjahr 2023 eingeleitet worden. Eine Umfrage der Deutschen Richterzeitung habe ergeben, dass 2024 bei den Gerichten mehr als 100.000 neue Klagen eingegangen seien, während es 2023 noch knapp 72.000 neue Klagen gewesen seien. Am schnellsten würden Verfahren in Rheinland-Pfalz entschieden (durchschnittliche Verfahrensdauer 5,4 Monate), am langsamsten in Hessen (durchschnittliche Verfahrensdauer 24,5 Monate). Ein paar Ungereimtheiten in den Zahlen gibt es, wenn etwa die Umfrage damit zitiert wird, dass in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2024 19.266 neue Verfahren eingeleitet worden seien, während das Oberverwaltungsgericht Münster kürzlich (siehe HRRF-Newsletter Nr. 185) von 26.500 neuen Verfahren sprach. Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes wird mit der Aussage zitiert, dass für eine weitere Verfahrensbeschleunigung neben einer weitergehenden Konzentration der Verfahren bei spezialisierten Asylkammern vor allem weitere Richter notwendig seien – an eine Verbesserung der Qualität von Asylentscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge denkt er offenbar nicht.