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HRRF-Jahresrückblick 2025 🎁

In 49 Ausgaben hat der HRRF-Newsletter in diesem Jahr über aktuelle flüchtlingsrechtliche Rechtsprechung berichtet – Zeit für den großen HRRF-Jahresrückblick, in dem die wichtigsten Entscheidungen aus allen Newsletter-Ausgaben des Jahres zusammengefasst werden. Anders als im Vorjahr soll das nicht in lediglich acht thematisch gegliederten Abschnitten passieren, aber auch nicht einfach chronologisch, sondern anhand von 25 Begriffen, die die flüchtlingsrechtliche Rechtsprechung im Jahr 2025 jedenfalls in Teilen geprägt haben: Ein kleines Wörterbuch, sozusagen, von A (Aufnahmezusagen) bis Z (Zurückweisungen). Ansatzweise gab es das im September 2024 schon einmal, damals aber nur mit zehn Begriffen. Auch jetzt habe ich bestimmt ein paar Begriffe vergessen, und möglicherweise habe ich bestimmte Begriffe auch bewusst ausgelassen. Der HRRF-Newsletter macht eine kurze Pause und kehrt am 9. Januar 2025 zurück. Fröhliche Weihnachten 🎄!

Aufnahmezusagen

Es ist etwas unübersichtlich mit den Aufnahmezusagen, die die frühere Bundesregierung afghanischen Staatsangehörigen gegenüber abgegeben hat, und mit den daraus abgeleiteten Ansprüchen auf Visumerteilung. Eine erste Klage auf Visumerteilung war im Mai 2025 bekannt geworden, danach zeichnete sich im Rahmen zahlreicher Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin und vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg schnell ab, dass Aufnahmezusagen, die auf Grundlage von § 23 Abs. 2 AufenthG gemacht worden waren (das waren Zusagen im Rahmen des „Bundesaufnahmeprogramms“), im Grundsatz rechtsverbindlich sein sollten, während für Aufnahmezusagen nach § 22 S. 2 AufenthG (das waren die Zusagen im Ortskräfteverfahren, im Überbrückungsprogramm und aufgrund der Menschenrechtsliste) im Prinzip das Gegenteil gelten sollte. Vor den Gerichten ging es außerdem um die Zulässigkeit eines Widerrufs von Aufnahmezusagen, um Zwangsgeldandrohungen gegen das Auswärtige Amt und um die Grenzen von Zwangsgeldern. Anfang Dezember 2025 kam das Bundesverfassungsgericht ins Spiel, das in einem Eilbeschluss zwar eine umgehende Bescheidung von Visumanträgen forderte, aber eben keine Visumerteilung. Das Bundesinnenministerium lehnt Visumanträge aktuell anscheinend ab, wenn die Antragsteller sich im Überbrückungsprogramm oder auf der Menschenrechtsliste befinden, sieht kein „politisches Interesse der Bundesrepublik“ und „keine andere Möglichkeit mehr“. Die evangelische Kirche sieht Deutschland dagegen im Wort und unterstützt Klageverfahren Betroffener sowie die humanitäre Versorgung vor Ort mit 100.000 Euro.

Aussetzung des Asylrechts

Vorübergehende Abschaffung des Rechts, einen Asylantrag zu stellen; im ersten HRRF-Wörterbuch noch als „Aufnahmestopp“ bezeichnet, siehe dort zur Europarechtswidrigkeit einer solchen Aussetzung. Griechenland hat Ende Juli 2025 ein Gesetz verabschiedet, durch das aus Nordafrika eingereisten Schutzsuchenden für (zunächst) drei Monate das Recht auf Stellung eines Asylantrags genommen wurde; der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im August 2025 in mehreren Eilverfahren (siehe hier und hier) die Abschiebung von Schutzsuchenden gestoppt, deren Asylanträge von griechischen Behörden unter Bezugnahme auf dieses neue Gesetz ignoriert worden waren. Seit September 2025 verweigert auch Polen landesweit die Annahme der Asylanträge von Schutzsuchenden, die über die polnische Ostgrenze eingereist sind; dies soll zur Folge haben, so das VG Hannover im Oktober 2025, dass → systemische Schwachstellen im polnischen Asylsystem vorliegen.

Aussetzung des Familiennachzugs

Seit dem Sommer 2025 ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten in Deutschland für jedenfalls zwei Jahre ausgesetzt (siehe § 104 Abs. 14 S. 1 AufenthG). Erste Rechtsprechung aus dem November 2025 hält diese Aussetzung für rechtmäßig, weil der Gesetzgeber das Ziel, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft vorzubeugen, höher gewichten durfte als das Vertrauen auf die Ermöglichung eines Familiennachzugs, und weil etwaigen Härten durch eine Anwendung von §§ 22, 23 AufenthG begegnet werden könne. Eine Weisung des Auswärtigen Amts zur Anwendung von § 22 AufenthG in Härtefällen lässt vor allem Härte vermuten.

Behördenüberlastung

Weder ein allmählicher Anstieg der Zahl von Asylanträgen über einen langen Zeitraum noch praktische Schwierigkeiten wie eine große Menge nicht bearbeiteter Anträge oder eine unzureichende Zahl von Personal der nationalen Asylbehörde rechtfertigen eine Verlängerung der für die Entscheidung über Asylanträge geltenden Fristen, hat der Europäische Gerichtshof im Mai 2025 entschieden. Außerdem müssen die Grundbedürfnisse von Schutzsuchenden immer gedeckt werden und können sich EU-Staaten dabei nicht auf Überlastung oder unvorhergesehene Umstände berufen, so ein weiteres Urteil des Gerichtshofs aus dem August 2025. In Deutschland soll eine lange Bearbeitungsdauer einer Einbürgerung hinzunehmen sein, solange keine strukturellen Organisationsdefizite vorliegen, nicht aber, wenn in einer Behörde eine andauernde, d.h. permanente Arbeitsüberlastung herrscht.

Benachrichtigungspflicht bei Freiheitsentzug

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2025 erneut in zwei Verfahren klarzustellen, dass gemäß Art. 104 Abs. 4 GG tatsächlich bei jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen ist. Ein bloßer Hinweis auf die Möglichkeit einer solchen Benachrichtigung reicht nicht, wenn die Reaktion des Betroffenen darauf nicht dokumentiert wird, außerdem muss das Haftgericht einer Aussage nachgehen, wonach die Kontaktdaten von Vertrauenspersonen im Handy des Betroffenen gespeichert sind, auch wenn dessen Akku leer ist.

Beschleunigung

Geschwindigkeit, und Beschleunigung als Erhöhung der Geschwindigkeit, haben im Flüchtlingsrecht eine weitgehend positive Konnotation. In Haftsachen gilt ein Beschleunigungsgebot, dessen Anwendung bei langsamen Behörden die Haftaussetzung zur Folge hat, allerdings nicht bei Verzögerungen im Haftbeschwerdeverfahren greift. Auch unabhängig von Haftsachen wird Beschleunigung verlangt, etwa vom Europäische Gerichtshof, der im Juni 2025 meint, dass die Korrektur einer rechtswidrigen Behördenentscheidung innerhalb kurzer Zeit möglich sein muss, und vom Bundesverfassungsgericht, das im Dezember 2025 wegen der zunehmenden und besonderen Dringlichkeit von Verfahren afghanischer Staatsangehöriger zu → Aufnahmezusagen eine umgehende Bescheidung der Anträge angeordnet hat. Negativ ist Beschleunigung dagegen, wenn es um asylgerichtliche Verfahren geht, weil dann die Qualität der Verfahren leiden und sich daraus paradoxerweise gerade eine Verzögerung von Verfahren ergeben soll. Einzelne Asylklageverfahren haben allerdings schon jetzt keine bestimmte Mindestdauer, meint zumindest das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Dezember 2025.

Bindungswirkung

Muss das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eigentlich die in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes als verbindlich beachten (so dass es keine Abschiebung in den Herkunftsstaat androhen darf), selbst wenn danach in Deutschland ebenfalls ein Asylantrag gestellt wird? Nein, meinen 2025 unter anderem die Verwaltungsgerichte Hamburg, Köln und Düsseldorf, jedenfalls wenn der Asylantrag in Deutschland inhaltlich geprüft wurde. Ja, sagen 2025 unter anderem die Verwaltungsgerichte Hannover und Köln. Unklar, sagt der Verwaltungsgerichtshof München, dort ist derzeit ein Berufungsverfahren anhängig, in dem es um diese Frage geht. Gegen das (zweite) Kölner Urteil ist außerdem Sprungrevision zugelassen und eingelegt worden.

Binnengrenzkontrollen

Die Einführung (faktisch) dauerhafter Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen durch EU-Mitgliedstaaten verstößt gegen EU-Recht, wie bereits im ersten HRRF-Wörterbuch gezeigt wurde. So hat es 2025 auch der Verwaltungsgerichtshof München gesehen. An der Praxis der Grenzkontrollen hat das freilich nichts geändert, weswegen im November 2025 neue Klagen vor deutschen Verwaltungsgerichten eingereicht wurden.

Europarecht

Flüchtlingsrecht ist Europarecht, und daran wird auch die Mitte 2026 in Kraft tretende GEAS-Reform nicht nur nichts ändern, sondern gerade umgekehrt noch mehr Europarecht bringen: Zahlreiche EU-Richtlinien werden durch EU-Verordnungen ersetzt, die anders als Richtlinien keiner Umsetzung in den Mitgliedstaaten bedürfen, sondern europaweit unmittelbar anwendbar sind. Gleichwohl hatten 2025 nicht nur der Bundesinnenminister (→ Zurückweisungen), sondern auch Behörden und Gerichte so ihre Schwierigkeiten mit der Anwendung des europäischen Flüchtlingsrechts. Etwa die hessische Behörde, die eine Befugnis zur vorläufigen Ingewahrsamnahme eines Ausländers unmittelbar aus der EU-Rückführungsrichtlinie ableiten wollte, die Bundespolizei, die den Anwendungsvorrang der Dublin-III-Verordnung vor deutschem Recht trotz eines gerichtlichen Hinweises nicht wahrhaben und Zurückschiebungshaft trotz eines Asylgesuchs angeordnet haben wollte, das Verwaltungsgericht Regensburg, das mit einer unmittelbaren Anwendung der EU-Asylverfahrensrichtlinie nicht viel anfangen konnte, oder das Verwaltungsgericht Cottbus, dem das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2025 den Unterschied zwischen der Unionsrechtswidrigkeit und der Verfassungswidrigkeit einer Regelung des deutschen Asylgesetzes erklären musste.

Gruppenverfolgung

Bei einer Gruppenverfolgung kommt es auf individuelle Verfolgungsschicksale nicht mehr an, weil alle Mitglieder der Gruppe bereits wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit verfolgt werden und sozusagen „pauschal“ Flüchtlingsschutz erhalten. Das gilt derzeit etwa für Frauen und Mädchen aus Afghanistan, weil der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass die zahlreichen diskriminierenden Maßnahmen gegen Frauen und Mädchen in Afghanistan Verfolgung darstellen und alle Frauen und Mädchen treffen. Jedenfalls in Frankreich wird eine Gruppenverfolgung auch für Schutzsuchende aus dem Gaza-Streifen angenommen.

Instrumentalisierung

Die vorgebliche „Instrumentalisierung“ von Schutzsuchenden hat nicht nur 2024 zur Verabschiedung der neuen EU-Krisenverordnung beigetragen, die in „Instrumentalisierungssituationen“ (siehe Art. 1 Abs. 4 Buchst. b) der Verordnung) das Abweichen von europäischen Standards erlaubt, und 2025 zur → Aussetzung des Asylrechts in einigen EU-Staaten geführt, sondern auch zu einer Klage Litauens gegen Belarus vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, in der es um den Vorwurf einer Verletzung des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität geht.

Kriminalisierung

Der Europäische Gerichtshof hat im Juni 2025 entschieden, dass ein Drittstaatsangehöriger, der unerlaubt in die Europäische Union einreist, nicht allein deshalb wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise bestraft werden kann, weil er von seinem minderjährigen Kind begleitet wird. Abgesehen von einer Verletzung der Grundrechte auf Achtung des Familienlebens und der Grundrechte des Kindes halten sich Drittstaatsangehörige, die wie hier einen Asylantrag gestellt haben, bis zur Entscheidung über ihren Antrag ohnehin rechtmäßig in der Europäischen Union auf, so dass auch deswegen keine strafrechtlichen Sanktionen verhängt werden dürfen. Eine ebenfalls im Juni 2025 getroffene Entscheidung des dänischen Obersten Gerichts geht in dieselbe Richtung und argumentiert mit Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Die Kriminalisierung von Schutzsuchenden (z.B. in Griechenland oder auf Malta) und von Personen, die sie unterstützen, hat offensichtlich Missbrauchspotential.

Leistungsausschluss

Der im Oktober 2024 mit § 1 Abs. 4 AsylbLG eingeführte vollständige Leistungsausschluss für Dublin-Fälle wird weit überwiegend für verfassungs- und europarechtswidrig gehalten (eine ausführliche Rechtsprechungsübersicht gibt es bei der GGUA), das Sozialgericht Karlsruhe findet schon im Februar 2025 die deutlichen Worte, dass „die Norm sowohl evident europarechtswidrig als auch evident verfassungswidrig ist“. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof sieht es in einem dort anhängigen Vorabentscheidungsverfahren in der Sache genauso, der UN-Sozialausschuss hat sich ebenfalls eingeschaltet, auch wenn deutsche Behörden nicht so recht wissen, wie sie reagieren sollen (ich hätte da eine Idee).

Pullbacks

Bei einem Pullback werden Menschen an der Ausreise aus einem Land gehindert, etwa, wenn sie von Libyen aus über das Mittelmeer Italien erreichen wollen, dabei aber nach einem Schiffsunglück von der libyschen Küstenwache abgefangen werden („Refoulement by Proxy“). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Juni 2025 entschieden, dass die bloße Koordinierung eines solchen Seenotrettungseinsatzes über Funk durch italienische Behörden nicht reicht, um die Ausübung italienischer Hoheitsgewalt und damit die Anwendbarkeit der Europäischen Menschenrechtskonvention anzunehmen, und dass dafür ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung irregulärer Migration und die finanzielle und logistische Unterstützung der libyschen Grenzschutz- und Küstenwachbehörden ebenso wenig reicht.

Pushbacks

Griechenland wurde 2025 wegen illegaler Pushbacks an der griechisch-türkischen Grenze erneut vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, zu den polnischen, litauischen und lettischen Pushbacks an der EU-Außengrenze zu Belarus hat der Gerichtshof 2025 immerhin Anhörungen durchgeführt und eine weitere einstweilige Anordnung gegen Polen erlassen, während Urteile auf sich warten lassen. Am Europäischen Gerichtshof sind derweil zwei Schadensersatzklagen gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex anhängig (diese Klage und diese Klage), in denen es um eine Frontex-Beteiligung an Pushbacks geht und die beide noch vor Weihnachten 2025 (nämlich am 18. Dezember 2025) entschieden werden sollen.

Rechtswidrige Abschiebungen

Die Folgen rechtswidriger Abschiebungen sind häufig nicht so einfach zu reparieren, etwa schon deswegen nicht, weil es nicht immer einen Anspruch auf Rückholung nach Deutschland gibt (und schon gar nicht im Eilverfahren). Darum ist es umso weniger verständlich, dass es auch 2025 wieder rechtswidrige Abschiebungen geben konnte, bei denen gerichtliche Eilentscheidungen ignoriert wurden, die die aufschiebende Wirkung von Rechtsmittel angeordnet hatten (siehe hier und hier und hier). Von rechtswidrigen Auslieferungen und einem düpierten Bundesverfassungsgericht einmal ganz abgesehen.

Seenotrettung

Im Oktober 2025 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Griechenland (erneut) wegen unterlassener Seenotrettung verurteilt. In dem Verfahren ging es um ein Schiffsunglück in der Ägäis im März 2018, bei dem 16 Menschen starben und die griechische Küstenwache trotz zahlreicher Notrufe und Positionsdaten über 24 Stunden lang untätig blieb.

Sichere Drittstaaten

Sofern Schutzsuchende auf einen „sicheren Drittstaat“ verwiesen werden können, zu dem sie eine Verbindung haben und in dem sie Schutz hätten finden können, kann ihr Asylantrag ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig abgelehnt werden (siehe Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a und Anlage I AsylG, Art. 33 Abs. 2 Buchst. c) und Art. 38 EU-Asylverfahrensrichtlinie). Während der europäische Gesetzgeber das Konzept des sicheren Drittstaats gerade ausweiten will, so dass Betroffene insbesondere keine „Verbindung“ mehr zu dem Drittstaaten haben müssen, betrachtet Griechenland immerhin seit März 2025 die Türkei nicht mehr als sicheren Drittstaat für Schutzsuchende aus bestimmten Herkunftsstaaten, so dass ihre Asylanträge in Griechenland inhaltlich geprüft statt als unzulässig abgelehnt werden.

Sichere Herkunftsstaaten

Asylanträge von Schutzsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten werden in der Regel als offensichtlich unbegründet abgelehnt (§ 29a AsylG sowie Anlage II zum AsylG), so dass gerichtlicher Rechtsschutz nur schwer zu erlangen ist. Einmal abgesehen von den aktuellen Bemühungen der Bundesregierung, sichere Herkunftsstaaten künftig durch Rechtsverordnung bestimmen zu wollen, und von den aktuellen Bemühungen des europäischen Gesetzgebers, die bald geltenden neuen GEAS-Regelungen zu sicheren Herkunftsstaaten zu verschärfen, hat der Europäische Gerichtshof im August 2025 entschieden, dass das (noch) geltende EU-Recht für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat voraussetzt, dass er für alle dort lebenden Personengruppen sicher ist; das Bundesverfassungsgericht hat sich im Oktober 2025 zu diesem Urteil geäußert. Bereits wegen des Urteils des Gerichtshofs aus dem Oktober 2024, wonach die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat im (noch) geltenden EU-Recht voraussetzt, dass sein gesamtes Staatsgebiet sicher ist, wurde 2025 in zahlreichen Gerichtsentscheidungen in Zweifel gezogen, ob Georgien trotz seiner Nennung in Anlage II zum Asylgesetz ein sicherer Herkunftsstaat sein kann, weil es nicht sein gesamtes Staatsgebiet kontrolliere und weil das Land für LGBTQI+-Personen nicht sicher sei (siehe etwa hier, hier, hier oder hier). Ähnliche Zweifel wurden in der deutschen Rechtsprechung 2025 für Ghana und für den Senegal geäußert.

Systemische Schwachstellen

Die Abschiebung („Überstellung“) von Schutzsuchenden (Dublin-Verfahren) und Schutzberechtigten („Drittstaatenfälle“) in einen anderen EU-Mitgliedstaat ist nicht möglich, wenn es dort „systemische Schwachstellen“ im Asylverfahren oder bei den Aufnahmebedingungen gibt, die die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung mit sich bringen. 2025 stand sicherlich Griechenland im Fokus der deutschen Rechtsprechung zu solchen systemischen Schwachstellen: Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Urteilen im April und Oktober 2025 (siehe hier und hier) über → Tatsachenrevisionen entschieden, dass nicht-vulnerablen Männern, die als Schutzberechtigte anerkannt sind, in Griechenland keine solche Gefahren drohen. Ob diese Aussage auch auf alleinstehende Frauen oder Ehepaare übertragbar ist, wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung alles andere als einheitlich gesehen; sie reicht von eher pauschalen Aussagen, dass Frauen keine Männer seien, über die Annahme keiner besonderen Risiken für Frauen bis hin zu genau gegenteiligen Annahmen. Systemische Schwachstellen (die Liste ist sicherlich unvollständig) wurden 2025 für bestimmte Personengruppen zum Beispiel auch für Frankreich, Belgien und Rumänien angenommen, neuerdings wegen der → Aussetzung des Asylrechts auch für Polen, eher nicht dagegen für Kroatien. Italien ist wegen seiner Aussetzung von Dublin-Überstellungen seit Ende 2022 ein besonderer Fall. Diese Aussetzung soll aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs in einem Urteil aus dem Dezember 2024 nicht zur Annahme systemischer Schwachstellen führen, allerdings ist wegen eines weiteren beim Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens offen, ob die Aussetzung nicht auch unabhängig von der Annahme systemischer Schwachstellen zum Übergang der Dublin-Zuständigkeit führen kann und führt.

Tatsachenrevision

Die 2023 eingeführte Tatsachenrevision (§ 78 Abs. 8 AsylG) hat 2025 zwar zu den Griechenland-Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts geführt (→ systemische Schwachstellen), die Urteile haben einzelne Verwaltungsgerichte, zum Beispiel Teile der 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover im Juli 2025, allerdings nicht daran gehindert, die in den Urteilen enthaltenen Feststellungen in Frage zu ziehen. Hintergrund ist die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte zur tagesaktuellen Erfassung der entscheidungserheblichen Sachlage, weswegen die Verwaltungsgerichte auch nicht auf Entscheidungen über anhängige Tatsachenrevisionen warten müssen und solche Entscheidungen ohnehin vereinzelt für „nicht haltbar“ halten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen darf nicht einfach unter Bezugnahme auf Entscheidungen über Tatsachenrevisionen bestands- oder rechtskräftige Bescheide aufheben, und einen Wegfall der aufschiebenden Wirkung einer laufenden Klage rechtfertigt die Entscheidung über eine Tatsachenrevision auch nicht.

Wehrpflicht

Haben russische Wehrpflichtige einen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, oder können sie nach Russland abgeschoben werden? Ganz einig sind sich die Verwaltungsgerichte da nicht. Vor allem vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine könne doch die Zwangsrekrutierung drohen, oder jedenfalls die zwangsweise Mitwirkung an völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Handlungen, die aber vielleicht auch zu unwahrscheinlich ist, um zu internationalem Schutz zu führen. Vor allem das Verwaltungsgericht Berlin widerspricht hartnäckig der Rechtsprechung des ihm übergeordneten Oberverwaltungsgerichts, das keine Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gesehen hatte. In Sachsen sind derzeit mehrere Berufungsverfahren anhängig, in denen es um diese Fragen geht.

Willkürverbot

Eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung ist willkürlich und damit rechtswidrig, wenn sie „unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist“, wie es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert. Willkürlich war 2025 zum Beispiel, einer siegreichen Klägerin vor dem Sozialgericht Darmstadt die Verfahrenskosten mit der Begründung aufzuerlegen, dass sie sieben Gerichtsverfahren zu Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angestrengt habe, was gegen das „Gebot der Rücksichtnahme“ verstoße. Willkürlich war es 2025 auch, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Vertrauensperson eines in Abschiebungshaft genommenen Ausländers unter Verweis auf eine falsche Rechtsgrundlage zurückgewiesen hatte, was „in keiner Weise nachvollziehbar“ war, zumal das Gericht auf seinen Fehler hingewiesen worden war.

Wohnungsdurchsuchung

Liegt bereits dann eine Wohnungsdurchsuchung vor, wenn die Wohnung nur betreten wird, oder ist darüber hinaus ein „ziel- und zweckgerichtetes Suchen“ erforderlich? Der Unterschied ist zum Beispiel dann relevant, wenn etwa nach einem Ausländer gesucht wird und man ihn beim Betreten der Wohnung sofort erblickt: Nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts im Januar 2025 soll in so einer Situation (mangels „Suchen“) keine Durchsuchung vorliegen, so dass auch kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss (siehe Art. 13 Abs. 2 GG) vorhanden sein muss. Ein im November 2025 veröffentlichter Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sieht es anders, weil man doch vor dem Betreten der Wohnung noch gar nicht wissen könne, ob die gesuchte Person sich dort aufhalte. Es liege also in jedem Fall eine Suche, und damit eine Durchsuchung, vor, so dass ein vorheriger richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich sei.

Zurückweisungen

Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den EU-Binnengrenzen verstoßen eindeutig gegen EU-Recht (siehe bereits das erste HRRF-Wörterbuch), weswegen es auch keine Überraschung war, dass das Verwaltungsgericht Berlin diese Rechtswidrigkeit im Juni 2025 in drei Eilbeschlüssen festgestellt hat. Eine Überraschung war eher, dass anschließend sogar der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts den Bundesinnenminister kritisiert hat, nämlich dafür, dass er die Zurückweisungspraxis der Bundespolizei trotz der Berliner Beschlüsse nicht ändern wollte. Während es im Herbst 2025 zunächst nicht klar war, ob die Berliner Gerichtsverfahren nach der zwischenzeitlich erfolgten Einreise der Betroffenen nach Deutschland weitergeführt würden, ist zumindest das geklärt und wird es in Berlin ein Hauptsacheverfahren geben (🍿).

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ISSN 2943-2871